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Ein Bettler sitzt am Rand einer Strasse, Menschen gehen vorbei.
Legende: Glasgow ist eine der betroffenen Kommunen. Keystone
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Asylwesen Grossbritannien Je ärmer die Kommune, desto mehr Flüchtlinge beherbergt sie

SRF News: Sind die grossen Unterschiede bei der Unterbringung von Asylsuchenden auf einen Strukturwandel zurückzuführen, oder handelt es sich um eine völlig neue Entwicklung?

Martin Alioth: Die Problematik ist nicht neu, die Ursache ist bekannt. 2012 privatisierte die liberal-konservative Regierung des damaligen Premiers David Cameron die Unterbringung von Asylsuchenden. Grund dafür waren Sparbeschlüsse. Drei private Firmen erhielten den Zuschlag, allerdings mussten sie mit weniger Geld auskommen als die staatlichen Stellen, welche die Asylbewerber zuvor betreut hatten – und zudem möglichst noch einen Gewinn erwirtschaften. Angesichts dessen wurden die Asylbewerber in jenen Gemeinden untergebracht, in denen das am billigsten kommt. Das sind logischerweise die ärmeren Gegenden Grossbritanniens.

In ärmeren Gemeinden leben mehr Asylsuchende

Laut der britischen Zeitung «Guardian» waren Ende 2016 von den insgesamt 40'000 Asylbewerbern in Grossbritannien 57 Prozent im ärmsten Drittel der Gemeinden des Landes untergebracht. Nur 10 Prozent der Asylsuchenden lebten demnach im reichsten Drittel der Gemeinden. Ausserdem, so der «Guardian», beherbergten 45 Prozent aller Gemeinden gar keine Asylsuchenden. Von diesen Gemeinden werden 63 Prozent von den Konservativen regiert, nur 11 Prozent von Labour.

Welche Regionen des Landes sind besonders unter Druck?

Betroffen sind etwa der Norden Englands und der Süden von Schottland, namentlich die Region Glasgow. Auch das südliche Wales um Cardiff gehört dazu. All diese Regionen wählen mehrheitlich Labour, also sozialdemokratisch. Man könnte deshalb auch die These formulieren, dass die Konzentration von Asylsuchenden nicht nur mit dem Kostendruck, sondern auch mit Parteipolitik zu tun haben könnte.

Welche Folgen hat die Unterbringung von Asylsuchenden in mehrheitlich ärmeren Gemeinden?

Die Konsequenzen sind vor allem finanzieller Natur. Die britischen Regierungen haben seit 2010 im Zuge von Sparmassnahmen die Direktzahlungen an die Kommunen um bis zu 40 Prozent gekürzt. Ärmere Gemeinden sind davon stärker betroffen, weil sie weniger eigene Steuereinnahmen generieren können. Ausserdem müssen sie die Gesundheitsversorgung der Asylsuchenden sowie die Bildung von deren Kindern selber finanzieren.

Welches sind die politischen Konsequenzen?

Ich wage die These aufzustellen, dass jene Gegenden, in denen die Asylsuchenden untergebracht sind, im vergangenen Juni mehrheitlich für den Austritt Grossbritanniens aus der EU gestimmt haben. Ihre Hoffnung: Grossbritannien müsse die Einwanderung wieder selber steuern können. Ich glaube nicht an den Mythos, die Briten hätten dem Brexit zugestimmt, weil sie die Einwanderung aus Osteuropa eindämmen wollen. Der wahre Grund dürfte viel eher in der Furcht vor Einwanderern aus dem Rest der Welt liegen. Diese Menschen sind meist farbig – und dazu gehören auch die Asylsuchenden. Das Ressentiment, das zum Brexit-Ja geführt hat, könnte also durchaus etwas mit der ungleichen Verteilung der Asylsuchenden in Grossbritannien zu tun haben.

Das Gespräch führte Walter Müller.

Martin Alioth

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Porträt Martin Alioth

Der Grossbritannien- und Irland-Korrespondent von Radio SRF lebt seit 1984 in Irland. Er hat in Basel und Salzburg Geschichte und Wirtschaft studiert.

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