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Schlauchboot mit Migranten. Im Hintergrund ein Boot der italienischen Marine.
Legende: Italien investierte während eines Jahres 9 Millionen Euro pro Monat zur Rettung der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. Reuters
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International Massengrab Mittelmeer

Die letzten 14 Jahre sind im Mittelmeer Schätzungen zufolge über 26'500 Flüchtlinge ertrunken. Alleine letztes Jahr starben 3500 Menschen beim Versuch, das europäische Festland zu erreichen. Es könnten dieses Jahr noch mehr werden.

Anfang Woche rettete die italienische Küstenwache 144 Flüchtlinge aus einem gekenterten Boot und zog neun leblose Körper aus dem Wasser. Schilderungen der Überlebenden zufolge waren jedoch viel mehr Menschen auf dem glücklosen Boot unterwegs gewesen: 400 Flüchtlinge ertranken vermutlich und sind bis heute unauffindbar geblieben.

Das jüngste Flüchtlingsdrama im Mittelmeer ist nicht das erste in diesem Jahr. Im Februar 2015 wurden mehr als 200 Flüchtlinge vom Meer «verschluckt», wie eine Sprecherin des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) das spurlose Verschwinden der Migranten bezeichnete.

Das UNHCR geht davon aus, dass dieses Jahr bereits 900 Flüchtlinge beim Versuch starben, mit Schleppern das europäische Festland zu erreichen. Von diesen wurde nur ein Teil geborgen. Der Rest gilt aufgrund von getätigten Notrufen und Berichten von Familienmitgliedern und Überlebenden als vermisst.

2014 starben gemäss UNHCR 3500 von insgesamt 220'000 Flüchtlingen, die sich über das Mittelmeer nach Europa aufmachten. 2013 kamen im Mittelmeer 3000 Flüchtlinge zu Tode.

Mehr als 26'500 Tote in 14 Jahren

Die Zahl der verunglückten Flüchtlinge nahm die letzten Jahre markant zu. Dies legt auch das Projekt The Migrants‘ Files, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen nahe, das die Zahl der ertrunkenen Migranten für die Zeitspanne 2000 bis 2013 auf 23'000 Menschen beziffert. Zählt man die 3500 Flüchtlinge von 2014 dazu, beläuft sich Zahl auf ungeheure 26‘500 Tote.

Den Autoren des Projekts zufolge schwankt die Todesrate in Abhängigkeit der gewählten Migrationsroute zwischen 2 Prozent vor den Kanarischen Inseln und bis zu 6 Prozent bei Malta und Lampedusa.

Video
Zu viele Flüchtlinge – Italien schlägt Alarm
Aus Tagesschau vom 17.04.2015.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 2 Sekunden.

Spendable Italiener, sparsame EU

Die hohe Todesrate bei Lampedusa veranlasste Italien im Herbst 2013, die Operation Mare Nostrum zu lancieren. Zuvor waren binnen weniger Tage rund 400 Personen vor der Küste Europa ertrunken. Mit dem Einsatz von vier Schiffen und unter Beteiligung der Luftwaffe, der Carabinieri und des Zolls sollten in Seenot geratene Flüchtlinge gerettet und Schleppern das Handwerk gelegt werden.

Italien liess es sich mit neun Millionen Euro pro Monat etwas kosten. Damit konnten innerhalb eines Jahres insgesamt 120'000 Bootsflüchtlinge gerettet und 728 mutmassliche Schlepper festgenommen werden. Die Patrouillen von Mare Nostrum konnten aber nicht verhindern, dass 3500 Flüchtlinge im Mittelmeer den Tod fanden .

Dass das Nachfolgeprojekt von Mare Nostrum, die EU-Operation Triton, mit seinem drei Mal kleineren Budget von 3 Millionen Euro monatlich kaum imstande ist, dasselbe zu leisten, liegt auf der Hand. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Beschränkung der Triton-Patrouillen auf Küstennähe dazu führen wird, dass zahlreiche Boote in Seenot unentdeckt bleiben – und die Zahl der verunglückten Flüchtlinge zusätzlich ansteigen wird.

Video
Flüchtlingsströme: Italien am Anschlag
Aus 10 vor 10 vom 17.04.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 57 Sekunden.

Die EU zählt keine Leichen

Der etwas andere Fokus von Triton – Grenzschutz statt Rettung – zeigt sich auch bei der Publikationspolitik der für die Operation zuständigen europäischen Agentur Frontex. Während die Frontex die Migrationsrouten in die EU und die illegalen EU-Grenzüberschreitungen akkurat dokumentiert und publiziert, veröffentlicht sie keine Zahlen zu den Todesfällen. Wie Izabella Cooper, Sprecherin der Organisation, auf Anfrage erklärt, würden diese Zahlen zwar erfasst, aber nicht publiziert, weil Triton nicht das gesamte Mittelmeerbecken überwache. Die Zurückhaltung könnte aber auch mit dem provokanten Statement eines von The Migrants‘ Files zitierten Beamten erklärt werden: «Tote Migranten migrieren nicht mehr, warum sollte man sich also drum kümmern?»

Dramen im Mittelmeer

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Christen und Muslime geraten auf einem Flüchtlingsboot in Streit, zwölf Menschen werden über Bord geworfen – vermutlich aus «religiösem Hass». Auf dem Mittelmeer gerettete Migranten berichten von entsetzlichen Ereignissen. Lesen Sie hier mehr dazu.

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