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International «Nordkorea neigt zu nuklearem Säbelrasseln»

Nordkorea hat zum wiederholten Mal eine Atombombe gezündet. Ob es wirklich, wie Pjöngjang behauptet, eine Wasserstoffbombe war, ist zwar noch unklar. Sicher ist aber: Die Modernisierung der Arsenale schreitet weltweit voran.

SRF News: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Nordkorea tatsächlich eine Wasserstoffbombe gezündet hat?

Oliver Thränert

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Legende: ETH Zürich, T. Langholz

Der Spezialist für Sicherheitspolitik leitet den Think Tank am Centre for Security Studies an der ETH Zürich.

Oliver Thränert: Ich weiss nicht, ob man das in wenigen Tagen oder Wochen genau wissen wird. Aber ich denke, dass durchaus eine Wahrscheinlichkeit besteht. Die Nordkoreaner haben sich sehr lange mit Atomtechnologie beschäftigt, haben zwei erfolgreiche Atomtests für Waffen der ersten Generation durchgeführt. Insofern halte ich es schon für möglich. Es kann aber auch sein, dass es Propaganda ist. Wir müssen uns noch etwas gedulden.

Wie kommt dieses abgeschottete Land zu den Bestandteilen für eine solche Bombe?

Es gibt wahrscheinlich eine Kooperation mit Forschern, Ingenieuren und Technikern, die in das Land gegangen sind, die sozusagen aufgekauft wurden. Wir wissen das ziemlich gut aus dem Bereich der Raketentechnologie. Nach dem Ende der Sowjetunion gingen aus der Ukraine und aus Russland viele Mitarbeiter solcher Raketeningenieurbüros nach Nordkorea. Weniger klar ist es im Bereich der Nuklearentwicklung. Aber man muss davon ausgehen, dass hier Ähnliches passiert.

Die Nordkoreaner tun dies, um zu zeigen, dass sie sich auf Augenhöhe mit den Amerikanern bewegen wollen.

Nicht nur Nordkorea, auch die USA, Russland und China – die grossen Atommächte – wollen ihre Atomwaffenarsenale modernisieren. Wieso?

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Was ist der Atomwaffensperrvertrag noch wert?
aus Echo der Zeit vom 06.01.2016. Bild: Archivbild Keystone
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 16 Sekunden.

Die Nordkoreaner tun dies, um zu zeigen, dass sie sich auf Augenhöhe mit den Amerikanern bewegen wollen. Und Kim will sicherlich auch nach innen demonstrieren, dass er ein starker Führer ist. Bei den Amerikanern ist es so, dass sie jetzt, nach vielen Jahren, erste Modernisierungsschritte machen. Sie wollen einfach auf dem neuesten Stand der Zeit sein, was die Trägersysteme, aber auch was die Sicherheitstechnologien der nuklearen Sprengköpfe angeht. Andere, wie die Russen, Chinesen, Inder und Pakistani, ziehen nach und wollen auch auf dem modernsten Stand sein. Was Russland anbelangt, geht es auch darum, den Kernwaffen wieder bestimmt militärische Aufgaben zuzuweisen.

Welche militärischen Aufgaben wären das?

Russland sieht seine taktischen Kernwaffen zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Krise um das Baltikum. Es geht darum, die Nato davon abzuschrecken, stärkere konventionelle Kräfte zur Verteidigung dorthin zu verlegen. In einem solchen Fall würde Russland dann mit dem Einsatz von taktischen Kernwaffen drohen.

Gibt es ein solches Wiederbeleben der Kernwaffen auch in Asien?

China legt nach und nach – von einem relativ niedrigen Niveau kommend – seine nukleare Zurückhaltung ab. Das Land modernisiert in allen Bereichen. Zum Beispiel ist Peking gerade dabei, ein nuklearbetriebenes und mit Atomwaffen ausgestattetes U-Boot auf Patrouille zu schicken. Die Inder sind daran, ihre Kernwaffen zu modernisieren; Pakistan sieht sich einem bei den konventionellen Waffen massiv überlegenen Indien gegenüber und ist dabei, taktischen Kernwaffen Aufgaben zuzuweisen, um diese Überlegenheit auszugleichen. Es geht oft um Prestige, aber auch um konkrete militärische Aufgaben, die diesen Waffen zugewiesen werden.

Es geht oft um Prestige, aber auch um konkrete militärische Aufgaben, die diesen Waffen zugewiesen werden.

Auf der anderen Seite hat man sich mit Iran auf ein Einfrieren der Atomforschung geeinigt. Wie sehr hat diese Einigung das Rennen um Atomwaffen beruhigt?

Für den Nahen und Mittleren Osten hat es zunächst einmal zu einer Atempause geführt. Iran behält seine nukleare Infrastruktur, muss seine Urananreicherung und auch seine Schwerwasserprogramme zurückfahren. Aber in zehn bis fünfzehn Jahren ist das Land frei, diese Programme ohne besondere Beschränkungen wieder aufzunehmen. Es bleibt somit ein Schwellenland, das in der Lage ist, spaltbares Material herzustellen, das weiss, wie man eine Bombe baut, und das auch Trägersysteme hat, um Kernwaffen einzusetzen. Positiv am Abkommen ist auch, dass es gelungen ist, anders als im Fall von Nordkorea, einen Vertragsverletzer auf diplomatischen Weg davon zu überzeugen, dass er eine Einschränkung seiner nuklearen Entwicklung hinnimmt und fürs Erste nicht weiter auf dem Weg zur Bombe marschieren kann.

Aber auch das scheint in der Region nur beschränkt zu beruhigen. Sie sagen, auch Saudi-Arabien habe nukleare Ambitionen.

Das halte ich durchaus für möglich. Die Saudis befinden sich in einem massiven geopolitischen Konflikt mit Iran. Und sie wollen den Iranern gegenüber sicher nicht ins Hintertreffen geraten. Ihre nukleare Infrastruktur ist im Vergleich zu Iran nicht sehr weit entwickelt. Aber sie haben genug Geld, um sich vieles, was man braucht, einzukaufen.

Global gesehen ist man weit entfernt von einer weltweiten nuklearen Abrüstung. Heisst das, der Atomwaffensperrvertrag ist letztlich gescheitert?

Wenn man die globale Anzahl an Kernwaffen anschaut, ist es so, dass diese seit dem Ende des Kalten Krieges massiv reduziert worden ist – sowohl in Russland als auch in den Vereinigten Staaten. Man muss sich vergegenwärtigen: Mitte der 80-er-Jahre hatten alleine die USA in Europa über 8000 Kernwaffen stationiert. Davon sind jetzt nur noch wenige übrig geblieben – um die 100 wahrscheinlich. Das hat schon etwas mit nuklearer Abrüstung zu tun. Bloss finden gleichzeitig auch Modernisierungsprozesse statt. Die Staaten, die im nuklearen Wettrennen weit hinter Russland und den USA liegen, ziehen jetzt langsam nach. Das bringt bedrohliche Situationen mit sich; im Mittleren Osten, aber auch im Dreieck China-Indien-Pakistan. Hinzu kommt die «Wildcard» Nordkorea, die immer wieder zu einem nuklearen Säbelrasseln neigt.

Das Gespräch führte Roman Fillinger.

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