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International «Schlamperei ist typisch für Österreich»

Wegen defekter Couverts für die Briefwahl muss der Termin für die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl verschoben werden. «Diese Schlamperei ist typisch für Österreich», sagt der Chefredaktor des Magazins «Profil», Christian Rainer.

Der Wiederholung der Bundespräsidentenwahl in Österreich steht unter keinem guten Stern: Wegen defekter Wahlcouverts wird der Wahltermin vom 2. Oktober auf einen Termin im Dezember verschoben.

Christian Rainer

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Legende: Imago

Rainer ist ein österreichischer Journalist. Er ist Chefredaktor und Herausgeber des Nachrichtenmagazins «profil». Er ist 1961 geboren und hat Recht und Volkswirtschaft studiert. 2015 hat Rainer für seine Leistungen das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich erhalten.

Christian Rainer, Chefredaktor des Nachrichten-Magazins «Profil», spricht im Interview von einer unglaublichen «Schlamperei», die sehr österreichisch zu sein scheine.

SRF News: Sind die Briefwahlcouverts, die nicht gut zugeklebt werden können, wirklich so problematisch, dass die Verschiebung der Wahl gerechtfertigt ist?

Christian Rainer: Es ist jedenfalls problematischer, als die Gründe, wegen derer die Verfassungsrichter die erste Wahl annulliert hatten. Sie hatten festgestellt, dass rein theoretisch eine Wahlmanipulation hätte stattfinden können, jetzt geht es um ganz Praktisches: Viele tausend Couverts sind wegen eines Produktionsfehlers in einem Zustand, der eine geheime Wahl nicht zulässt und damit theoretisch und auch praktisch Manipulationen zulassen würde. Ich kenne deshalb keinen Verfassungsrechtler, der nicht für eine Absage des Termins vom 2. Oktober plädiert.

In Wien wurden übers ganze Wochenende Krisensitzungen abgehalten. Was wurde da genau verhandelt?

Alle Parteien im Parlament waren der Meinung, die Wahl müsse verschoben werden, ebenso die beiden Kandidaten van der Bellen und Hofer. In den Diskussionen übers Wochenende ging es deshalb wohl vor allem um den neuen Wahltermin: Soll die Wahl noch im November durchgeführt werden oder erst im Dezember, also kurz vor Weihnachten? Zudem stellt sich die Frage, ob es dafür ein Gesetz braucht. Denn Verfassung und Wahlgesetze sehen eine Verschiebung eigentlich einzig für den Fall vor, dass einer der Kandidaten stirbt.

Die erste Stichwahl fürs Bundespräsidium zwischen van der Bellen und Hofer war sehr eng. Ändert die Verschiebung der Wahl etwas an der Ausgangslage?

Das ist sehr schwer zu sagen. Der extrem rechte Kandidat, Hofer von der FPÖ, fürchtet offenbar, dass ihn die Verschiebung benachteiligen könnte. In den vergangenen Tagen hatte er angedeutet, das Debakel könnte von Anfang an geplant gewesen sein – eine wirklich dumme Verschwörungstheorie, die auch demokratiepolitisch sehr bedenklich ist. Ich persönlich glaube, dass vor allem die Entwicklung des derzeitigen Hauptthemas – Migration und Asylsuchende – den Ausgang bestimmen wird.

Wahl mit Vorgeschichte

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Die erste Bundespräsidentenwahl hatte am 22. Mai der Grüne Alexander van der Bellen äusserst knapp gegen den rechtspopulistischen FPÖ-Kaniddaten Norbert Hofer gewonnen. Dessen Partei focht das Resultat wegen Unregelmässigkeiten an und bekam vom Verfassungsgericht Recht. Die Wiederholung der Wahl hätte nun am 2. Oktober stattfinden sollen.

Zuerst die Ungültigkeit der ersten Wahl wegen verschiedenen Wahlverstössen, jetzt Briefwahlcouverts, die nicht kleben – wie ordnen Sie das ein?

Aus einer ‹Richterrepublik› ist eine ‹Schlampigkeitsrepublik› geworden. Man kann über das Urteil der Verfassungsrichter unterschiedlicher Meinung sein. Klar ist, das war eine sehr formale Entscheidung, die nicht notwendig gewesen wäre. Die Panne mit den Wahlcouverts dagegen ist Schlampigkeit in grossem Ausmass. Da ist ein grosser Produktionsfehler geschehen, der einfach nicht passieren darf. Diese Schlampigkeit scheint schon sehr österreichisch zu sein.

Was sagen die Österreicherinnen und Österreicher dazu?

Audio
«Eine unglaubliche Schlamperei»
aus SRF 4 News aktuell vom 12.09.2016.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 59 Sekunden.

Die Ungeduld scheint in Resignation umgekippt zu sein, aber eine richtige Meinung scheint dazu nicht vorzuliegen. Meinungsführer wie Journalisten und Politiker waren in der letzten Woche vor allem fassungslos, dass so etwas möglich ist. Manche fragten sich, was es für die Demokratie bedeutet, wenn es wegen einem solch kleinen Fehler keinen Bundespräsidenten gibt. Man stellte sich die Frage, was wohl passieren würde, wenn es um grössere Fehler und ein wichtigeres Amt gehen würde.

Das Interview führte Philippe Chappuis.

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