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International Viel Aktionismus nach Germanwings-Absturz

Zahlreiche Massnahmen sind in Diskussion, um ein solches Unglück künftig zu verhindern. Eine wurde sofort umgesetzt, doch auch ihre Wirkung ist umstritten. Handelt es sich vor allem um Beruhigungspillen?

Modell eines Germanwings-Aribus zwischen Trauerkerzen vor dem Hauptsitz der Fluggesellschaft
Legende: Der Absturz sorgte für viel Emotionen: Öffentliche Anteilnahme vor dem Sitz von Germanwings in Köln Anfang April. Keystone

Zwei Monate nach der Tragödie an Bord des Germanwings-Fluges 4U9525 über den französischen Alpen sind eine ganze Reihe von Verbesserungsvorschlägen für die Sicherheit im Cockpit in Diskussion. Wie lässt sich vermeiden, dass einer der Piloten sein Flugzeug bewusst und gezielt zum Absturz bringt?

In Deutschland oder auf internationaler Ebene werden geprüft:

  • Notöffnung der Cockpit-Türe von aussen
  • Fliegerärzte von der Schweigepflicht entbinden
  • Medizinische Spezialtests zur psychischen und körperlichen Fitness der Piloten
  • Überwachungskameras im Cockpit
  • Unangemeldete medizinische Checks für Piloten

Nur eine Massnahme umgesetzt

Nur zwei Tage waren seit dem Absturz der Germanwings-Maschine am 24. März mit 150 Toten vergangen, da führte die Lufthansa schon das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit ein: Während des gesamten Flugs müssen seither immer zwei Crewmitglieder in der Pilotenkanzel anwesend sein. Verlässt sie einer der Piloten, muss jemand von der Kabinenbesatzung seinen Platz einnehmen.

Diese Zweipersonen-Regel ist die einzige der vielen in den letzten zwei Monaten initiierten Massnahmen, die bisher umgesetzt wurde. Sie gilt inzwischen auch bei etlichen internationalen Fluggesellschaften – inklusive der Swiss.

Experten skeptisch

Über die andern diskutiert in Deutschland eine Taskforce, die Verkehrsminister Alexander Dobrindt kurz nach dem Absturz eingesetzt hat – ein Expertengremium mit Vertretern von Airlines, Verbänden und Ärzten. Zudem hat sich die internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) mit eigenen Vorschlägen gemeldet. Dabei ist noch nicht einmal der offizielle Abschlussbericht zum Absturz veröffentlicht.

Bei den Piloten des Lufthansa-Konzerns sorgen die Massnahmen teilweise für Verwirrung, vieles geht ihnen zu schnell. Die deutsche Pilotenvereinigung Cockpit spricht von «Aktionismus». Aber auch Sicherheitsexperten sind mit Blick auf die Wirkung der nun diskutierten Vorkehrungen skeptisch.

Nützt es nichts, so schadet es auch nicht

Die Fluggesellschaft und Behörden wollten nach dem emotional stark aufgeladenen Unglück wohl rasch handeln, um Kunden und Öffentlichkeit zu beruhigen und Vertrauen wieder herzustellen. Diesen Eindruck bestätigt der deutsche Aviatikexperte Jens Flottau auf Anfrage von SRF News: «Die rasche Einführung des Vier-Augen-Prinzips erweckt stark den Eindruck von Aktionismus.»

Denn solche Massnahmen würden gewöhnlich erst nach monatelangen Abwägungen und Vorbereitungen eingeführt. Flottau zweifelt daran, dass die Zweimann-Regel viel bringt. Aber immerhin dürfte sie auch keine unbeabsichtigten, für die Sicherheit kontraproduktiven Nebenwirkungen haben, sagt er.

Lufthansa-Chef legt nach

Ein Absturz, wie ihn der Co-Pilot von Germanwings herbeigeführt hat, lasse sich nicht grundsätzlich verhindern. Deshalb wertet Flottau auch den jüngsten Vorschlag von Lufthansa-Chef Carsten Spohr in erster Linie «als vom Schock des Ereignisses geprägt». Ob das viel bringe, sei ungewiss.

Spohr will unangemeldete Tests bei Piloten prüfen, um die Einnahme von Medikamenten oder Drogen festzustellen. Das sagte er letzte Woche in einem Zeitungsinterview. So sollen Piloten mit psychischen Problemen besser identifiziert werden können.

Swiss reagiert zurückhaltend

Die Lufthansa-Tochter Swiss äussert sich auf Anfrage zurückhaltend zum Vorschlag ihres obersten Chefs: Solche Massnahmen sollten «in einem geordneten, durch die Behörden in Kooperation mit den Airlines geführten Prozesses diskutiert werden».

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) verweist dazu auf den Spielraum der einzelnen Fluggesellschaften. Es liege in deren Ermessen, die medizinischen Standards strenger zu fassen. In den Richtlinien der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) seien unangemeldete Gesundheitschecks aber nicht vorgesehen. Diese Bestimmungen gelten auch für die Schweiz.

Zusammen mit den andern Gesellschaften der Lufthansa-Gruppe analysiert die Swiss derzeit die Abläufe in der Flugmedizin, um diese zu verbessern.

Ärztliche Schweigepflicht beibehalten

Übereinstimmend mit der international vorherrschenden Meinung will das in der Schweiz federführende Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) darauf hinwirken, dass psychischen Erkrankungen in den regelmässigen medizinischen Untersuchungen der Piloten mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zudem sollen die Fliegerärzte trotz grundsätzlicher Schweigepflicht für das Melderecht sensibilisiert werden, wenn sie Vergehen gegen Leib und Leben vermuteten.
Eine Meldepflicht dagegen berge das Risiko, dass die Piloten weniger ehrlich Auskunft geben oder sogar wichtige Informationen bewusst verheimlichen.

(Sendebezug: SRF4 News, 22.5./12.30 Uhr)

Keine Änderung an Cockpit-Tür

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Das Bazl sieht keine Notwendigkeit, am Schliessmechanismus der Cockpit-Tür etwas zu ändern. In Diskussion ist eine Notöffnung von aussen. Der Entscheid über den Zutritt müsse weiter bei der Cockpitbesatzung liegen. Denn für das Bazl ist «die Bedrohung der Sicherheit eines Fluges aus der Kabine wesentlich grösser ist als diejenige aus dem Cockpit».

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