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Zwangsarbeit für Strafgefangene in der Ostukraine
Aus Echo der Zeit vom 14.07.2017. Bild: Keystone
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Aktivisten sprechen von Gulag «Wer sich weigert, wird mit Isolationshaft bestraft»

In der Ostukraine müssen Strafgefangene harte, unbezahlte Zwangsarbeit leisten. Aufgedeckt hat das die Journalistin Sabine Adler. Sie konnte mit zwei Häftlingen sprechen.

  • In der Ostukraine sollen tausende Strafgefangene zu unbezahlter Zwangsarbeit verpflichtet worden sein, berichtet der Radiosender Deutschlandfunk.
  • Prorussische Separatisten betreiben demnach ein Netz von Arbeitslagern, welches der Finanzierung der beiden selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk dient.
  • Aufgedeckt hat das die deutsche Journalistin Sabine Adler. Sie war in den vergangenen Monaten mehrmals in der Ukraine unterwegs und hat mit SRF gesprochen.

SRF News: Was haben Sie Gesichertes über die Zustände in diesen ostukrainischen Gefängnissen herausgefunden?

Sabine Adler: Meine Erkenntnisse fussen auf einer Untersuchung, die eine ostukrainische Menschenrechtsgruppe durchgeführt hat. Die Gruppe hat mit 74 Personen gesprochen. Das waren Häftlinge, deren Angehörige oder Augenzeugen. Ich konnte mit zwei Häftlingen sprechen. Mit einem, den diese Gruppe aus dem Gefängnis befreien konnte. Und ich konnte mit jemandem telefonieren. Denn eigentümlicherweise ist es so, dass die Häftlinge in diesen Zwangsarbeitslagern durchaus Telefone benutzen können. Allerdings mit der Einschränkung, dass es keine Smartphones sein dürfen. Denn Smartphones sind, seit sich ein Häftling mit einer Mail an das Rote Kreuz gewandt hat, verboten.

Smartphone sind, seit sich ein Häftling mit einer Mail an das Rote Kreuz gewandt hat, verboten.

Was haben Ihnen die Häftlinge über ihren Tagesablauf berichtet?

Sie müssen zwölf Stunden arbeiten. Sie werden sehr schlecht versorgt. Sie dürfen keine Essenspakete von ihren Familien empfangen. Sie sprechen von schwerer und schwerster körperlicher Arbeit. Das heisst, sie müssen für die Bauwirtschaft Betonblöcke giessen oder auch Betonpfeiler, die zum Abstützen von Schächten in Bergwerken benutzt werden. Es wird Maschendraht hergestellt, es werden Bäume gefällt. Und anders als in den normalen Gefängnissen in der Ukraine kann man nicht selbst entscheiden, ob man arbeitet, man muss arbeiten. Und wer sich weigert, wird mit Isolationshaft in einem kalten, dunklen Keller bestraft. Die Abstufung geht von mindestens 15 Tagen bis zu einem halben Jahr.

Sabine Adler

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Die deutsche Journalistin und Autorin war unter anderem Korrespondentin des Deutschlandfunks in Russland. Seit September 2012 ist sie für die erweiterten Osteuropa-Berichterstattung des Deutschlandfunks zuständig. Sie ist Mitglied des Netzwerks Women in International Security und von Reporter ohne Grenzen.

Was haben die Männer verbrochen, dass sie dort einsitzen müssen?

Diese Häftlinge sind tatsächlich Kriminelle. Sie haben zum Beispiel Autos gestohlen oder Überfälle gemacht. Der, mit dem ich telefoniert habe, hat eine grosse Summe Geld gestohlen. Dafür hat er zehn Jahre Haft bekommen. Es sind ganz normale, zivile Strafgefangene, die für das, was sie angestellt haben, eine Freiheitsstrafe bekommen haben. Die müssen sie jetzt absitzen. Diese Häftlinge – man spricht von bis zu 10'000 – haben weder in der Ukraine noch in der Ostukraine irgend eine Lobby. Diese Menschen werden über ihre Haftzeit hinaus festgehalten, weil die Separatistenrepubliken nicht anerkennen, was die Kiewer Gesetzgebung sagt. Eine Amnestie, die 2014 erlassen wurde, gilt einfach nicht auf diesem Gebiet.

Menschenrechtler sprechen von Gulags, die von Moskau gebilligt würden. Ist das bloss Anti-Russland-Propaganda?

So würde ich das nicht auslegen. Denn der Hinweis auf russische Gulags muss man zweifach verstehen. Es geht erst einmal darum, dass es unbezahlte Zwangsarbeit ist. Das widerspricht der ukrainischen Gesetzgebung. Deshalb der Begriff Gulag. Mit Moskaus Billigung deshalb, weil man weiss, dass die Erlöse in die Volksrepubliken fliessen. Nach Luhansk fliessen umgerechnet etwa 300'00 bis 500'000 Euro im Monat.

Alles, was in diesen Volksrepubliken passiert, auch die Zwangsarbeit, ist von Moskau abgesegnet.

Und man weiss von der Annexion der Krim, dass der Unterhalt der Halbinsel für Moskau so teuer geworden ist, dass das ein Grund war, Donezk und Luhansk nicht einzuverleiben. Denn das kann sich Russland eigentlich nicht leisten. Somit ist jede Finanzierungsquelle, wie jene mit den Zwangsarbeitslagern, eine willkommene Finanzierungsquelle. Wir wissen, dass der Konflikt von Moskau aus gesteuert wird, dessen Ende liegt in der Hand des Kremls. Alles, was in diesen Volksrepubliken passiert, auch die Zwangsarbeit, ist von Moskau abgesegnet.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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