Asbest-Opfer und ihre Angehörigen, die in der Vergangenheit wegen Verjährung erfolglos auf Schadenersatz geklagt hatten, dürfen wieder hoffen. Grund ist ein Urteil des Bundesgerichts.
Die Lausanner Richter entschieden, dass der Fall eines 2005 verstorbenen Familienvaters neu beurteilt werden muss – und zwar ohne Berücksichtigung von Verjährungsfristen. Der Fall geht nun zurück ans Arbeitsgericht in Baden.
Dort hatte zunächst noch der Betroffene selbst und später seine Töchter das Unternehmen Alstom verklagt. Der Mann hatte seit den sechziger Jahren bei der Maschinenfabrik Oerlikon gearbeitet, der Rechtsvorgängerin der Alstom. Die Töchter verlangten von der ehemaligen Arbeitgeberin des Verstorbenen Schadenersatz und Genugtuung, weil der Krebs durch Asbest ausgelöst worden sein soll.
Mit dieser Forderung scheiterten sie aber zunächst vor dem Badener Arbeitsgericht, später auch vor dem Obergericht Aargau und dem Bundesgericht. Alle Instanzen wiesen die Forderung ab. Begründung: Der Fall sei verjährt.
Wichtiges Urteil aus Strassburg
In der Zwischenzeit hat allerdings der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg ein wegweisendes Urteil gefällt. Der EGMR kam im vergangenen Jahr zum Schluss, dass die Art und Weise wie die Schweiz bei Asbest-Opfern mit den Verjährungsfristen umgehe, nicht zulässig sei.
Konkret bemängelt wurde die in der Schweiz geltende Frist von zehn Jahren in solchen Fällen. Zu kurz, fanden die Strassburger Richter, denn Asbesterkrankungen könnten auch erst Jahrzehnte nach dem Kontakt mit den gefährlichen Fasern auftreten.
Die Töchter des verstorbenen Mannes wandten sich nach dem Strassburger Urteil erneut ans Bundesgericht und stellten ein Revisionsgesuch. Dieses hat das Bundesgericht nun gutgeheissen und seinen Entscheid von 2010 aufgehoben.
In Baden, wo der Fall nun neu verhandelt werden muss, dürfen dieses Mal keine Verjährungsfristen gelten. «Ob die übrigen Voraussetzungen für die Ansprüche der Betroffenen erfüllt sind, wurde bisher nicht geprüft», heisst es in einer Mitteilung des Bundesgerichts.
Wie stehen die Chancen auf Entschädigung?
Mit dem heutigen Urteil können Asbest-Opfer und ihre Angehörigen doch noch auf Entschädigung hoffen. «Die Chancen stehen gut», sagt Sascha Buchbinder, Bundesgerichts-Korrespondent für Radio SRF. «Im Ausland ist der Zusammenhang zwischen Asbest und Brustfellkrebs längst anerkannt.» Allerdings dauerten solche Prozesse oft Jahre. «Schätzungen gehen davon aus, dass in der Schweiz etwa 6000 Opfer von Asbest zu beklagen sind», sagt Buchbinder. «Eine solche Prozesslawine kann eigentlich niemand wollen. Sinnvoll wäre sicher ein Fonds, eine pauschale Lösung. Dafür aber müsste die Industrie Hand bieten – und für die würde das wohl sehr teuer.» |
(Urteil 4F_15/2014)
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