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Spektakel am Himmel «Für die Menschen war der Himmel damals sehr lebendig»

Welche Erklärungen unsere Vorfahren für eine Mondfinsternis hatten und was Christoph Kolumbus damit zu tun hat, erklärt Astronomie-Professor Thomas Schildknecht im Interview.

SRF News: Heutzutage wissen wir, dass der Mond bei einer Mondfinsternis vom Kernschatten der Erde ganz oder teilweise verdunkelt wird. Doch wie reagierten unsere Vorfahren auf ein solches Ereignis?

Thomas Schildknecht

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Prof. Dr. Thomas Schildknecht ist Vizedirektor des Astronomischen Instituts der Universität Bern und Leiter der Fachgruppe «Optische Astronomie». Seit 2009 ist der Schweizer Astronom zudem Direktor des Observatoriums Zimmerwald der Universität Bern, von wo aus er bereits drei Asteroiden entdeckt und benannt hat.

Thomas Schildknecht: Früher rankten sich alle möglichen Legenden um das «Verschwinden» des Mondes. Man muss sich vorstellen: Für die Menschen war der Himmel damals nichts Totes, sondern sehr lebendig. Im alten China etwa, meinten die Menschen, ein Drachen würde versuchen, den Mond zu verschlingen. Bei den Wikingern war es der mythische Wolf Hati, der dem Mond im Himmel nachjagt und ihn ab und zu einfing.

Und die Amazonas-Indianer glaubten, dass eine Pfeilattacke eines jugendlichen Bogenschützen den Mond bluten liess. Was hat es mit dem «Blutmond» auf sich?

Bei einer Mondfinsternis bleibt der Mond – auch wenn er vom Kernschatten der Erde verdeckt ist – noch schwach als sogenannter Blutmond sichtbar. Dies weil die Erdatmosphäre noch Licht hineinstreut. Je röter der Mond erscheint, desto mehr Staub hat es in der Atmosphäre.

Seit wann versteht man genau, was bei einer Mondfinsternis passiert?

Mondfinsternisse konnte man schon relativ früh auf ein Datum genau berechnen, da dieses Ereignis auf einen Vollmond fallen muss. Genauere Voraussagen, wie etwa der exakte Zeitpunkt und vertiefte Kenntnisse, haben wir seit ungefähr 300 Jahren. Dies haben wir der Seefahrt zu verdanken. Als die Kommerzialisierung der Schifffahrt begann, wurde es wichtiger, genau zu wissen, wo sich ein Schiff exakt befindet. Das grösste Problem war, die Koordinaten zu bestimmen. Der Sonnenstand half bei der Bestimmung der Breite, aber daraus konnte man noch nicht lesen, auf welcher geographischen Länge man unterwegs war. Hier halfen vor der Erfindung der Schiffsuhren Mondtabellen. Die Bewegungen des Mondes wurden in diesem Zusammenhang vertieft studiert und das Verständnis dadurch verbessert.

Wer Mondfinsternisse voraussagen konnte, hatte früher eine unvorstellbare Macht.
Autor: Thomas Schildknecht Astronomie-Professor

Das Wissen um eine vollständige Mondfinsternis rettete Christoph Kolumbus bereits im Jahre 1504 vor dem Hungertod..

Rettung durch Mondfinsternis

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1504 strandete Christoph Kolumbus mit seiner Mannschaft auf Jamaika, wo er nur durch den Handel mit den Einheimischen überlebte. Als diese den Handel einstellten, sagte er ihnen, die Götter seien verärgert und würden ihnen den Mond rauben. Als es am 29. Februar tatsächlich eine totale Mondfinsternis gab, begannen die Einwohner wieder zu handeln.

Ja, richtig. Das war damals ein sehr nützliches Wissen. Diejenigen, die solche Ereignisse voraussagen konnten, in vielen Fällen etwa Priesterkasten, hatten eine unvorstellbare Machtposition inne und wurden als Götter verehrt. Noch extremer war dies bei einer Sonnenfinsternis.

Trotzdem gibt es immer noch ein paar Schwierigkeiten bei der Berechnung des exakten Zeitpunkts einer Mondfinsternis.

Das liegt daran, dass die genaue Berechnung der Mondbahn immer noch sehr aufwändig ist. Wir vermessen diese zwar regelmässig sehr genau, aber sie wird von allen möglichen Himmelskörpern gestört, etwa von den Planeten. Dazu kommt, dass die Erdrotation nicht immer gleich schnell ist. Ein Tag ist manchmal eine Tausendstel-Sekunde länger oder kürzer. Das wird auch von den globalen Windströmungen, dem Wetter, Verlagerungen im Erdkern oder durch Erdbeben beeinflusst. Das hat schlussendlich alles Einfluss auf den genauen Zeitpunkt der Mondfinsternis.

Wie oft kommen Mondfinsternisse denn vor?

Grössere partielle Mondfinsternisse kommen etwa zweimal pro Jahr vor. Totale Finsternisse sind dagegen seltener. Heute Abend werden wir eine Mikro-Finsternis sehen, wie ich das nenne. Das heisst, es wird schwierig sein, überhaupt etwas zu erkennen, da nur ein sehr kleiner Teil des Mondes im Schatten steht. Ausserdem ist es um 20.20 Uhr noch sehr hell und der Mond steht tief, das heisst man braucht einen freien Horizont, um ihn überhaupt zu sehen.

Für viele Menschen ist die Mondfinsternis ein Ereignis. Wie ist das für die Astronomie als Forschungsgebiet?

Für uns ist eine Mondfinsternis nicht besonders spannend. Für uns interessant ist eigentlich nur der Staub, den ich vorher im Zusammenhang mit der roten Färbung des Mondes schon erwähnt habe. Dieser Staub kommt von Vulkanausbrüchen. Vulkanstaub verteilt sich über Monate bis zu einem Jahr um die Erde. Früher rechnete man den Staubanteil in der Atmosphäre tatsächlich anhand der Färbung bei einer Mondfinsternis aus. Heute wissen wir besser, wann und welcher Vulkan ausgebrochen ist und benutzen zum Bestimmen des Zustands der Atmosphäre zudem Messungen von Satelliten.

Bei Vollmond gibt es Leute, die sagen, dass ihr Schlafverhalten beeinflusst wird. Gibt es solche Beobachtungen auch bei Mondfinsternissen?

Das könnte ich nicht sagen, ich denke dafür sind Mondfinsternisse zu schnell vorbei und zu selten. Dass der Mondzyklus einen Einfluss auf die Menschen hat, kann ich mir als Wissenschaftler allerdings gut vorstellen. Ich sehe genügend Gründe, die dafür sprechen. Nur schon wegen des helleren Lichtes bei einer Vollmond-Nacht und der Gravitation. Es ist zudem eine Tatsache, dass der Mensch, wie andere biologische Systeme, einen Monatsrhythmus hat. Wieso genau einige Menschen weniger gut schlafen können, wissen wir allerdings bis heute nicht.

Das Gespräch führte Anna Berger.

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