Über Hans Waldmann gibt es so manche pikante Geschichte. Eine davon handelt von einer wilden Badenfahrt: Zur Kur soll der Zürcher Bürgermeister nicht nur seine Frau, sondern auch sechs Verehrerinnen mitgenommen haben. Damit nicht genug: Im Bad soll er einen Badwäscher bestochen haben, um eine schöne Baslerin «in seine Gewalt zu bekommen». Allerdings erfolglos.
Die Episode vom badenden Bürgermeister, der 1483 bis 1489 in Zürich regierte, findet sich in «Die Badenfahrt». Das 200-jährige Buch dreht sich um die ursprüngliche Form der Badenfahrt: mehrwöchige Badekuren. Zürcherinnen und Zürcher der Oberschicht waren damals die Hauptgäste: Im katholischen Baden erholten sie sich, vom strengen Leben und den strengen Sitten im reformierten Zürich.
Geschichtsbuch und Sittengemälde
Rechtzeitig zum neuzeitlichen Fest mit gleichem Namen erscheint «Die Badenfahrt» nun in einer Neuauflage. Mitherausgeber ist der Badener Historiker Bruno Meier.
Über Hans Waldmanns Frauengeschichten sagt er: «In jeder Anekdote steckt ein Körnchen Wahrheit. Über Prostitution in den Bädern und Ähnliches gibt es keine Aufzeichnungen, nur die mündliche Überlieferung».
Autor der «Badenfahrt» ist David Hess (1770 bis 1843). Er erzählt in seiner 460-seitigen «Badenfahrt» Anekdoten, aber auch Handfestes. Ab 1805 reiste er – wie viele aus der Zürcher Oberschicht – jedes Jahr zur mehrwöchigen Kur nach Baden und erforschte die Geschichte der Bäder.
Als Sohn vermögender Eltern konnte sich David Hess ein Leben als «tätiger Müssiggänger» leisten: Hess verbrachte sein Leben mit Schreiben und Zeichnen.
Für seine «Badenfahrt» recherchierte Hess sorgfältig. Laut Historiker Bruno Meier ist die Schrift darum ein gutes Geschichtsbuch. Ihm gefällt der ironische Ton, den Hess anschlägt. Und das Sittengemälde, das so entsteht. «Beim Lesen versteht man die Badener Seele», sagt Meier.
Badenfahrt
Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit war Baden der wichtigste Heilkurort nördlich der Alpen. Der europäische Adel reiste nach Baden. Diese «Badenfahrten» dauerten in der Regel sechs bis acht Wochen und bestanden neben der eigentlichen Kur in den Thermalbädern aus einem regen gesellschaftlichen Leben. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts stagnierte der Bäderort, es kam vor allem das Stammpublikum, vorab Angehörige der Zürcher Oberschicht wie David Hess. Ab 1820 wandelte sich die Badenfahrt zum touristischen Massenphänomen. 1913, auf dem Höhepunkt des Booms, verzeichnete Baden 149 000 Logiernächte. Ab dem 1. Weltkrieg nahmen die Besucherzahlen wieder ab. (Quelle: «Die Badenfahrt», David Hess, Hier und Jetzt Verlag, 2017.) |