Vor gut zwei Jahren noch schlüpfte Ronja Hofstetter höchstens mal für eine Joggingrunde in ihre Laufschuhe, dann begann sie, Stadtläufe und Marathons zu gewinnen. Innert kurzer Zeit wurde die 22-Jährige zu einem der vielversprechendsten Lauftalente der Schweiz. Der Weg dahin führte über eine persönliche Krise und Gespräche mit einer künstlichen Intelligenz.
Schon immer sportlich
Begonnen hat alles im Örtchen Ottenhusen im Kanton Luzern. Hier wuchs Ronja Hofstetter mit ihrem Bruder bei den Eltern Annemarie und Valentin auf. «Sie war ein Bewegungs-Kind», sagt die Mutter. Der Vater ergänzt, auch der Ehrgeiz sei früh da gewesen. «Schon beim Geräteturnen, dem sie lange Zeit nachging, strebte sie Auszeichnungen und Medaillen an.»
Langstreckenläuferin wollte sie nie werden, sagt Ronja Hofstetter. «Vor einigen Jahren lief ich einen Halbmarathon und sagte mir danach: Nie wieder!» Heute ist klar, es kam anders. Nicht jedoch, bevor sie sich an einem anderen Sport versuchte. Sie bewarb sich für ein Fussballstipendium an einer amerikanischen Highschool und bekam prompt den Zuschlag.
Grosse Enttäuschung
«Ich konnte nun Schule und Sport verbinden, so wie ich mir es schon immer erwünscht hatte», sagt Ronja Hofstetter. Der Aufenthalt in den USA sei dann jedoch eine einzige Enttäuschung gewesen. «Ich war schulisch und sportlich komplett unterfordert.»
Hofstetter brach ab und reiste zurück in die Schweiz. Zu Hause angekommen, fiel sie in ein Loch. Da habe sie mit dem Laufen begonnen. «Es half mir, den Kopf freizubekommen, meine Gedanken zu sortieren und zu mir zurückzufinden.»
Zunächst sei das ein normales Joggen gewesen. Erst als sie von Arbeitskollegen überredet wurde, sich für einen Marathon anzumelden, schaltete sie einen Gang höher. Knappe vier Monate vor dem Start begann sie mit intensivem Training – angeleitet von Chat GPT, der künstlichen Intelligenz. Dieser diktierte Hofstetter, sie wolle den Marathon unter 2:50 Stunden laufen.
Sieg beim ersten Marathon
Für den ersten Marathon ist dies ein wahnwitziges Ziel, die 3-Stunden-Marke gilt bei langjährigen Hobbyläuferinnen und -läufern als magische Grenze. «Ich weiss auch nicht, was mich geritten hat, dass ich so am Limit laufen wollte», sagt Hofstetter und muss lachen.
Im Oktober 2024 gewann sie den Swiss City Marathon Luzern mit einer Zeit von 2:43:38 Stunden. Da es ihr erster Marathon war, hatte niemand mit ihr gerechnet. Sogar die Eltern wären beinahe zu spät gekommen, um ihrer Tochter beim Zieleinlauf zuzujubeln. «Um elf Uhr waren wir da und zehn Minuten später kam sie schon angelaufen», sagt Mutter Annemarie. Man hört ihr den Stolz an.
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Bild 1 von 4. Zur Überraschung aller gewann Ronja Hofstetter im Oktober 2024 in Luzern ihren allerersten Marathon. Bildquelle: SRF .
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Bild 2 von 4. Weitere Erfolge kamen hinzu: Am Zürich Marathon 2025 wurde sie zweite und lief als beste Schweizerin im Ziel ein. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 4. Auf Anraten ihres Trainers läuft Ronja Hofstetter aktuell kürzere Strecken, um Geschwindigkeit aufzubauen. Den Halbmarathon 2025 in Luzern gewann sie auch. Bildquelle: Swiss City Marathon.
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Bild 4 von 4. Nicht immer läuft es wie erwünscht. Am Corrida Bulloise, an den SRF sie begleitete, kam sie weit hinter der Siegerin ins Ziel. «Das gehört auch dazu», so Hofstetter. Bildquelle: SRF.
Seither hat Ronja Hofstetter an vielen weiteren Läufen Spitzenplätze erreicht. Sie ist überzeugt, dass noch mehr drin liegt. Trainiert wird mittlerweile nach einem strikten Plan, und Chat GPT wurde durch den Profitrainer Raffael Brandenberger ersetzt.
Neues Ziel: Olympische Spiele
Wo Ronja Hofstetters Potenzial liege, sei nach so kurzer Zeit schwierig einzuschätzen, sagt dieser. «Wenn sie unverletzt bleibt, sind Zeiten von 2:18 bis 2:22 durchaus möglich», so Brandenberger. Damit liefe die Luzernerin an der Weltspitze.
Solche Aussagen – ein gutes Jahr nach ihrem ersten Marathon – sind für Ronja Hofstetter nicht etwa überwältigend, sondern spornen sie an. «Ich will an die Olympischen Spiele», sagt sie selbstbewusst. Wenn es für das Jahr 2028 nicht reiche, dann werde es halt 2032.