Einfach wird es nicht für die Gegner einer zweiten Gotthardröhre. In der ersten Abstimmungs-Umfrage von gfs.bern geben 64 Prozent der Befragten an, für den Bau eines neuen Gotthard-Tunnels stimmen zu wollen. Nur gerade 29 Prozent sind dagegen; der Rest ist noch unentschlossen.
Mit Blick auf vergangene Abstimmungen überrascht diese – momentan – hohe Zustimmung. Immerhin wurde die Alpenschutz-Initiative vor 12 Jahren angenommen; der Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative, die den Bau einer zweiten Röhre vorsah, wurde abgelehnt.
Mehrheit nur in der Umfrage
Jon Pult kämpft als Präsident der Alpen-Initiative gegen einen zweiten Strassentunnel. Von den Umfrageergebnissen lässt er sich nicht beeindrucken. «Es ist nicht das erste Mal, dass die zweite Röhre in Umfragen eine Mehrheit holt», sagt Pult. «Doch in Abstimmungen wurde eine zweite Röhre bisher stets abgelehnt.»
Dennoch sei klar, dass es knapp werde. Denn die Befürworter der Vorlage zielten mit dem Argument, ein zweiter Tunnel bringe mehr Sicherheit, auf das Bauchgefühl der Stimmbürger ab. «Die Realität zeichnet aber ein ganz anderes Bild: Sobald sich der Verkehr um drei Prozent erhöht, ist der ganze Sicherheitsgewinn wieder weg.» Das zeige eine Studie der Beratungsstelle für Unfallverhütung.
Sanierung ohne Totalsperre
Caroline Beglinger vom VCS kritisiert ihrerseits die Informationspolitik des Bundesrats. «Die Fakten, die der Bundesrat der Bevölkerung präsentiert, ändern sich dauernd», sagt die Co-Präsidentin des Schweizer Verkehrsclubs. «Der Bundesrat hat im Abstimmungskampf behauptet, man müsse den Tunnel drei Jahre schliessen.»
Inzwischen räume das Astra aber selber ein, dass eine Sanierung mit Nacht- und Wintersperre ebenfalls möglich wäre. «Die Vorlage ist ein Schwindel», so Beglingers Fazit. Die Gegner der Kampagne wollen die Kampagne in den kommenden Wochen deshalb noch intensivieren. «Es wird noch die eine oder andere Überraschung geben», sagt Jon Pult.
«Es läuft nicht auf vier Spuren hinaus»
Doch auch auf der Gegenseite gibt man sich noch keineswegs siegesgewiss. «Wir können uns nicht zurücklehnen», sagt Hans-Ulrich Bigler, der als Präsident des Gewerbeverbands an vorderster Front der Gotthard-Befürworter steht. Überhaupt habe die Umfrage keine Bedeutung für den Kampagnen-Verlauf. «Die Umfrage wurde Mitte Januar gemacht – in einem Moment also, in dem die Kampagne eben erst begonnen hatte.» Deshalb sei sie wenig aussagekräftig.
Eine andere Interpretation der guten Umfragewerte liefert der Schwyzer SVP-Ständerat Peter Föhn; auch er ein Befürworter der zweiten Röhre. «Die Schweizer Bevölkerung will einen sicheren Tunnel», sagt Föhn. «Zudem will die Mehrheit das Tessin nicht vom Rest der Schweiz abhängen.»
Einen Angriff auf den Alpenschutz sieht Föhn im Bau einer zweiten Röhre nicht. «Wir halten den Alpenschutzartikel hoch. Es wird nicht auf vier Spuren hinauslaufen.» Dazu müsste erst die Bundesverfassung geändert werden, «und dafür gibt es im Moment keine Mehrheit».
Einheitliche Front
Politologe Claude Longchamp sieht die Befürworter einer zweiten Gotthard-Röhre klar im Vorteil. Um den Trend noch umzukehren, müsste seiner Meinung nach die befürwortende Allianz auseinanderfallen.
Das wäre beispielsweise der Fall, wenn kantonale Parteien in den betroffenen Regionen plötzlich andere Parolen fassten als die ihrer Mutterpartei, oder wenn eine grosse Anzahl bürgerlicher Parlamentarier die Gegenparole ausgibt. «Davon ist aber im Moment nicht viel zu sehen», sagt Longchamp. Das Steuer herumzureissen, dürfte für die Gegner schwierig werden.