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AHV-Initiative «Dank der Zuwanderung funktioniert die AHV noch»

Die Menschen werden älter und älter. Immer weniger Junge müssen immer mehr Rentner finanzieren. Bisher haben die ausländischen Arbeitskräfte den Geburtenrückgang wettgemacht – doch dieses Spiel geht bald nicht mehr auf. Altersforscher François Höpflinger erklärt das Generationen-Problem.

SRF News: Welche Probleme haben wir heute mit der Überalterung der Bevölkerung?

François Höpflinger: Es gibt zwei Komponenten: Zum einen gibt es den Geburtenrückgang. Zum anderen werden die Menschen immer älter. Die Folgen des Geburtenrückgangs konnte bisher weitgehend kompensiert werden durch die Zuwanderung. Doch jetzt kommen die geburtsstarken Jahrgänge aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Pension. Jetzt wird sich das Problem verstärken. Also immer mehr Leute werden pensioniert – und die werden immer länger leben.

Die Geburtenrate hat doch in den letzten Jahren aber wieder zugelegt.

Ja, sie ist aber nach wie vor zu tief. Auf ein Paar kommen weniger als zwei Kinder. Es bräuchte 2.1 Kinder, um den Bestand der Schweizer Bevölkerung zu erhalten. Man hatte in den 1920er- und 1930er-Jahren bereits eine sehr tiefe Geburtenrate und Angst, die Schweiz würde aussterben. Schon damals war die Überalterung ein Thema. Doch dann kam der Babyboom. Nach dem Krieg bis 1965 gab es viele Kinder – seit dann ist die Zahl rückläufig. Und seit 1972 kommen weniger Babys zur Welt als zur Erhaltung der Schweizer Bevölkerung nötig wären.

Sie sprachen davon, dass die Zuwanderung bisher die negativen Folgen des Geburtenrückgangs kompensieren konnten. Inwiefern?

In gewissen Berufsbranchen, in der Gesundheitsbranche etwa, sind bis zu einem Drittel aller Stellen mit Ausländern besetzt. Ja, die Schweiz hat eine hohe Zuwanderungsrate. Aber dadurch ist die Erwerbsbevölkerung angestiegen. Die Schweiz hat einen hohen Anteil von Menschen im Erwerbsalter. So können auch Stellen besetzt werden, welche die Schweizer nicht wollen. Die AHV funktioniert dank der Ausländer überhaupt noch. Heutzutage ist übrigens die Mehrheit aller neu geschlossenen Ehen in der Schweiz binational.

Die Menschen werden immer älter, das ist bekannt. Was hat sich aber noch verändert, dass die AHV bald so in die Bredouille kommt?

Die Lebenserwartung ist bei den Männern stärker angestiegen als bei den Frauen. Die Männer erhalten auch sehr hohe Renten. Es kommen auch immer mehr Leute mit einer guten Berufsausbildung ins Rentenalter – was wiederum höhere Renten mit sich bringt. In den 1990er-Jahren gab es schon die Diskussion, dass die AHV Defizite machen würde. Zuwanderung und bessere Ausbildung haben das verhindert. Längerfristig gibt es aber schon Defizite. Die Lohnbeiträge sind seit 40 Jahren gleich geblieben. Wenn man diese Beiträge, die Mehrwertsteuer oder das Rentenalter nicht erhöht, gibt es negative Effekte. Klar, wenn auf einmal alle Erwerbstätigen 100 Prozent mehr verdienen würden, wäre die AHV auch gerettet. Das Lohnniveau ist in den letzten Jahren aber kaum mehr angestiegen.

Zu erwartende weitere Lebensjahre

Die Sterbetafeln des Bundesamt für Statistik zeigen auf, wie lange eine Person nach dem Erreichen eines bestimmten Alters im Durchschnitt noch zu leben hat.

Männer bei der Geburt
Frauen bei der Geburt
Männer im Alter von 20 Jahren
Frauen im Alter von 20 Jahren
Männer im Alter von 65 Jahren
Frauen im Alter von 65 Jahren
198172.479.253.760.114.318.2
1985
73.5
80.2
54.7
61.0
14.9
19.0
1990
74.0
80.8
55.0
61.6
15.3
19.4
1995
75.3
81.8
56.2
62.4
16.1
20.2
2000
76.9
82.6
57.7
63.2
17.0
20.7
200578.783.959.464.318.121.6
201080.284.660.765.118.922.2

Gibt es beim Thema AHV gewichtige Unterschiede zwischen Frauen und Männern?

Frauen sind häufiger als Männer ausschliesslich auf die AHV angewiesen. Sie brauchen auch mehr Ergänzungsleistungen. Durch Scheidung oder seltener Verwitwung geraten sie öfter und stärker in eine finanzielle Notlage.

Ist eine Erhöhung der AHV-Beiträge denn die Rettung?

Eine Erhöhung der Lohnbeiträge und damit der AHV-Beiträge ist nicht relevant. Gerade bei ärmeren Rentnern würde mehr AHV bedeuten, dass die Ergänzungsleistungen gekürzt würden – am Ende des Monats hätten sie also gleich viel auf dem Konto wie vorher. Besser wäre wohl, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Dann würden die Rentner die AHV ebenfalls mitfinanzieren. Oder eine Erhöhung des Rentenalters wäre in Betracht zu ziehen.

Wenn die Rentner länger arbeiteten, würden sie doch den Jungen aber die Jobs wegschnappen – und als Folge davon würde die Arbeitslosenquote steigen.

Nein. Diesen Denkansatz hat man in Frankreich schon gemacht. Man dachte, man könnte mit Frühpensionierungen die Jugendarbeitslosigkeit wettmachen. Doch dann hatte man plötzlich zwei Probleme. Denn die Stellen der Rentner wurden einfach gestrichen. Man müsste die Rentner vielmehr aktiv halten, sie besser in den Arbeitsmarkt einbinden – etwa durch Weiterbildungen.

Sind wir denn in der Schweiz einfach zu verwöhnt? Müssten wir unsere Ansprüche runterschrauben?

Die so genannte «Share Economy» – also das Teilen von gewissen Gütern, etwa Kleidung oder ein gemeinsamer Mittagstisch – sollte bedeutender werden. So können wir Lebensqualität gewinnen, ohne mehr Geld auszugeben. Es wird aber tendenziell eher zu wenig konsumiert. Die Autoindustrie beispielsweise könnte 40 Prozent mehr Autos produzieren, als derzeit verkauft werden. Die Renten sind auch wichtige Einnahmequellen. Wir müssen aber auch festhalten, dass die Altersarmut in der Schweiz weniger häufig ist als die Kinderarmut. Die finanzielle Zufriedenheit ist im Alter höher als bei den Jungen.

Zur Person

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François Höpflinger.
Legende: François Höpflinger. keystone

François Höpflinger zählt mit Jahrgang 1948 selbst zur Babyboomer-Generation. Er war Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich und forscht bis heute selbständig zu Alters- und Generationenfragen. Höpflinger hat zwei Kinder und vier Enkelkinder.

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