Am 30. November entscheidet die Stimmbevölkerung über die Volksinitiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen». Lanciert wurde sie vom Verein Ecopop, einer parteiunabhängigen Umweltorganisation. Der Vorstoss verbindet zwei unterschiedliche Anliegen: er will einerseits eine Grenze bei der Zuwanderung setzen und gleichzeitig auch das weltweite Bevölkerungswachstum bremsen.
Wäre vor einer Woche über die Ecopop-Initiative abgestimmt worden, hätten 58 Prozent der Stimmberechtigten die Vorlage verworfen. Nur 35 Prozent hätten ihr zugestimmt. Das hat die erste Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR ergeben.
Elite-Basis-Konflikt bei der SVP
Die Bevölkerung folgt damit weitestgehend den Empfehlungen der Parteien, die ohne Ausnahme eine Nein-Parole zu dieser Vorlage gefasst haben. Selbst die SVP-Parteispitze spricht sich klar gegen die Ecopop-Initiative aus. Sie wolle keine Konkurrenz beim Thema Migration, begründet Claude Longchamp, Leiter gfs.bern, die Haltung der Partei.
Doch: «Die Parteispitze hat für einmal die Rechnung nicht mit ihrer Basis gemacht, denn diese ist in der Migrationsfrage insgesamt etwas radikaler als die Parteispitze bei der Ecopop-Initiative.» Würde die SVP-Basis entscheiden, dann wäre die Vorlage angenommen worden. 64 Prozent der SVP-Wähler hätten Mitte Oktober ein Ja in die Urne gelegt, 30 Prozent wären dagegen und 6 Prozent hatten bis dato noch keine Meinung.
Faktor parteipolitisch Ungebundene
Die Meinungsbildung ist bei diesem Thema für den Zeitpunkt fortgeschritten. Das begründet Claude Longchamp mit der geringen zeitlichen Distanz der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative (MEI) im Februar. Das Thema Zuwanderung beschäftigt die Bevölkerung.
Unsicher bleiben die Stimmabsichten insbesondere bei den parteipolitisch Ungebundenen. Dort ist die Entscheidung noch nicht gefallen. «Gerade bei Migrationsfragen ist diese Gruppe am stärksten hin und her gerissen zwischen den Argumenten. Unsere Umfrage zeigt, dass in dieser Gruppe bis zu 50 Prozent zustimmen könnten», sagt Longchamp weiter.
Ja-Tendenz verbindet sich mit Behördenmisstrauen
Verstärkt wird das Ja durch Bürger, die dem Bundesrat und den Behörden generell misstrauen. Hier spielt sicher die Art und Weise der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative vom Februar eine gewisse Rolle. Unterstützung erfährt die Initiative auch durch Bürger aus tieferen Einkommens- und Bildungsschichten. Die weitere Entwicklung bleibt deshalb unsicher.
Interessant ist ein Blick in die Sprachregionen: In der italienischsprachigen Schweiz ist eine Mehrheit für die Ecopop-Initiative möglich. Vor einer Woche hätten 51 Prozent hier Ja gesagt. In den anderen Landesteilen überwiegt jedoch die Ablehnung.
MEI-Abstimmung hat Auswirkungen
Insgesamt wirft die Masseneinwanderungsinitiative ihren Schatten auf die jüngste Vorlage mit Migrationsthema. Das zeigt auch der Argumententest. 60 Prozent der Befragten finden, nach der Zustimmung zur Masseneinwanderungsinitiative brauche es keine weitere Verschärfung. Sogar 64 Prozent halten die Ecopop-Initiative für unvereinbar mit den Bilateralen.
Die Ja-Argumente stützen diese Sichtweise ebenfalls. So finden nur 35 Prozent, die Masseneinwanderungsinitiative genüge nicht. Am ehesten verfängt noch das Argument, mit der Vorlage liesse sich die Zersiedelung in der Schweiz bremsen. Damit sind 43 Prozent einverstanden.
Claude Longchamp fasst die Unterschiede der beiden Zuwanderungsvorlagen wie folgt zusammen: «Es fängt mit den Initianten an. Die SVP ist bei Kampagnen viel erfahrener als Ecopop. Ein wichtiger Unterschied ist auch, dass wir den 9. Februar hinter uns haben, dass wir ein Ja haben. Das Signal ist gesetzt und die europapolitischen Konsequenzen sind ebenfalls aufgezeigt worden.»
Eher ein Nein zu Ecopop zu erwarten
Kommt es nicht zusätzlich zu einer Mobilisierung von Stimmbürgern, die bisher nicht zur Urne gehen wollten oder einem Meinungsumschwung in Parteien wie der FDP, dann liegt der Schluss nahe, dass sich die Meinungsbildung – wie im Normalfall bei Initiativen – ins Nein entwickelt.