Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) verlangt mit seiner Stipendien-Initiative, dass in Zukunft der Bund das Stipendien-Wesen für höhere Ausbildungen regeln soll. Heute ist das Sache der Kantone. Das Parlament hat bereits einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet, der den Initianten aber zu wenig umfassend war. Darum zogen sie die Initiative nicht zurück. Bei einem Nein bei der Volksabstimmung würde automatisch das Ausbildungsbeitragsgesetz in Kraft treten.
Die erste SRG-Trendumfrage des Forschungsinstituts gfs.bern zeigt, dass Ende April die Hälfte der Abstimmungswilligen für die Stipendien-Initiative gestimmt hätten. 37 Prozent wären dagegen gewesen. Damit besteht sechs Wochen vor der Abstimmung ein Vorteil für die Ja-Seite, aber 13 Prozent haben sich noch keine Meinung dazu gebildet. Bei Volksinitiativen, die bei der ersten Trend-Umfrage gut starten, wächst aber erfahrungsgemäss während des Abstimmungskampfes der Nein-Anteil.
Vorlage polarisiert links-rechts
Bei der Wählerschaft der Grünen wird die Stipendien-Initiative zu 88 Prozent befürwortet. Bei der SP sind es 66 Prozent. Bei der Basis der FDP liegt hingegen die Ablehnung bei 55 und bei der SVP bei 52 Prozent. Damit zeigt sich, dass die Vorlage im politischen Links-rechts-Spektrum polarisiert. In der Mitte stehen die CVP-Wähler, die derzeit mit 51 Prozent Ja sagen, obwohl der Parteitag die Nein-Parole beschlossen hat.
Die stärkste Zustimmung erhält die Vorlage in der französischsprachigen Schweiz, die tiefste in der italienischsprachigen. Interessant aber, dass die Befürworter mehrheitlich in den grossen Agglomerationen leben, wo sich auch die grossen Universitäten befinden. Die Ja-Anteile mit 58 Prozent sind dort stärker als in ländlichen Gebieten.
Trotz sympathischem Anliegen kaum Chancen
Stipendien sind eine Geldangelegenheit, die ein Familienbudget massgeblich entlasten können. Gemäss der Trendumfrage von gfs.bern liegt die höchste Zustimmung bei den mittleren Einkommen von 5000 bis 7000 Franken und den etwas tieferen oder höheren Haushaltseinkommen.
Personen mit sehr hohem Einkommen sind am deutlichsten gegen die Stipendien-Initiative, während unter den Stimmenden mit den tiefsten Einkommen noch 20 Prozent unschlüssig sind.
Die Stipendien-Initiative wurde nicht von einer Partei, sondern einer Minderheitsorganisation lanciert. Die Vorlage ist grundsätzlich mit einem hohen Sympathiebonus gestartet. Ihr bringt sogar Bildungsministers Johann Schneider Ammann ein «gewisses Verständnis» entgegen. Trotzdem unterlagen im Nationalrat die Unterstützer SP und Grüne mit 135 gegen 58 Stimmen. Auch der Ständerat lehnte die Initiative ab.
In der politischen Mitte, den Anhängern der CVP, sind noch ganze 20 Prozent unentschieden. Mit der Nein-Parole der Delegiertenversammlung und der knappen Mehrheit von 51 Prozent Befürwortern, könnte bei dieser Vorlage vor allem die CVP-Wählerschaft das Zünglein an der Waage spielen. Es ist wahrscheinlich, dass sie sich am Ende stärker an die Parteiparole und die Behördenempfehlung hält. Weil im Verlaufe des Abstimmungskampfs auch die bestehende Polarisierung zunehmen wird, wächst damit voraussichtlich auch der Nein-Anteil gegen die Stipendien-Initiative.