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Türkei reagiert auf Plakat-Ausstellung in Genf
Aus Tagesschau vom 25.04.2016.
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Schweiz Ankara rügt Genf wegen diesem Ausstellungsbild

Auf der Genfer Place des Nations stehen derzeit 58 Fotografien von dort durchgeführten Demonstrationen. Nun verlangt die Türkei, eines davon zu entfernen. Es zeigt Demonstranten, die in Genf Präsident Erdogan mit einem Transparent für den Tod eines 15-Jährigen verantwortlich machen.

  • Fotoausstellung vor UNO-Gebäude in Genf zeigt Demonstrationen der letzten Jahre auf der Place des Nations
  • Auf einer der 58 Fotografien machen Demonstranten Präsident Erdogan für tödlichen Angriff auf einen Jungen während Gezi-Proteste von 2013 verantwortlich
  • Türkisches Konsulat verlangt Entfernung der Fotografie
  • Stadtregierung berät am Dienstag, Fotograf pocht auf Meinungsäusserungsfreiheit
Stellwände mit Fotografien der Kundgebungen
Legende: Die Ausstellung zeigt Kundgebungen verschiedenster Konfliktparteien vor dem Genfer UNO-Gebäude. srf

Ankara ist erzürnt über eine in Genf ausgestellte Fotografie, auf der Demonstranten den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisieren. Das türkische Konsulat hat laut «Le Courrier» deshalb die Entfernung des Fotos verlangt. Die Genfer Stadtregierung wird sich laut einem Sprecher morgen Dienstagnachmittag mit dem Gesuch befassen.

Demir Sönmez, Genfer Fotograf mit kurdischen und armenischen Wurzeln, stellt bis am Sonntag auf der Place des Nations 58 Fotografien von auf dem Platz durchgeführten Demonstrationen aus. Darunter die beanstandete Aufnahme vom März 2014. Sönmez verweist laut der Genfer Zeitung auf die Meinungsäusserungsfreiheit und hofft gar auf eine Verlängerung der Ausstellung.

Demonstranten machen Erdogan für Berkins Tod verantwortlich

Das Bild zeigt ein Transparent, auf dem Erdogan für den Tod eines Jugendlichen verantwortlich gemacht wird. «Ich heisse Berkin Elvan, die Polizei hat mich auf Geheiss des türkischen Ministerpräsidenten getötet», steht auf dem fotografierten Transparent. Es ist eine Anspielung auf eine Äusserung Erdogans, er persönlich habe den Befehl zu den Polizeieinsätzen während der Gezi-Demonstrationen gegeben.

Elvan war im Sommer 2013 am Rande der Gezi-Proteste im Istanbuler Viertel Okmeydani von einer Tränengaskartusche tödlich am Kopf verletzt worden. Nach Darstellung seiner Eltern war er unterwegs gewesen, um Brot zu kaufen, als er getroffen wurde. Am 11. März 2014 starb der Teenager im Alter von 15 Jahren nach monatelangem Koma.

Platz vor dem UNO-Sitz von symbolischem Wert

Fotograf Demir Sönmez, der in der Ausstellung auf der Place des Nations Demonstrationen von Anhängern unterschiedlichster Parteien der Konflikte auf der Welt zeigt, reagiert schockiert auf die türkische Forderung. Zur «Tagesschau» sagt er: «Warum will die Türkei das Foto entfernen lassen? Wo, wenn nicht hier, auf dem Platz der Nationen, gilt das Recht auf freie Meinungsäusserung?»

Das findet auch der Genfer SVP-Nationalrat Yves Nidegger. Wenn sie nicht für Kundgebungen zur Verteidigung der Menschenrechte genutzt werden dürfe, habe die Place des Nations vor dem UNO-Sitz keinen Nutzen mehr, zitiert «Le Courrier» Yves Nidegger.

Auch Nationalrätin erhält Schreiben von der Türkei

Auch andere Genfer Politiker reagieren ohne Verständnis auf die Forderung der Türkei. «Es ist unglaublich, dass ein dritter Staat in unsere Meinungsäusserungsfreiheit eingreifen will», sagt SP-Nationalrat Carlo Sommaruga, Präsident der parlamentarischen Gruppe für die Beziehungen zum kurdischen Volk, zur «Tagesschau». «Vielleicht läuft das in der Türkei so, aber bei uns ist das nicht möglich.»

Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass die Türkei sich in der Schweiz direkt in die Meinungsfreiheit einmischt. So hat etwa SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen aus Bern bereits Erfahrungen gesammelt. «Auch ich habe vor ein paar Monaten zwei Schreiben des türkischen Botschafters in Bern bekommen», erzählt die Politikerin. Sie habe sie natürlich zurückgewiesen. Denn hier gelte das Recht auf freie Meinungsäusserung – wie übrigens auch in der Türkei, so Kiener Nellen.

Nicht auf solche Forderungen der Türkei eingehen, das findet auch SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel. Er selbst machte in Strassburg die Erfahrung, dass die türkische Regierung «massiven Einfluss» nehmen will. «Das geht bis in die Kommissionen hinein. Die Leute sagen, wie man sich zu verhalten hat in anderen Ländern in Europa», erklärt Büchel. Das sei nun offenbar die neue Masche Erdogans.

Keine Stellungnahme der Türkei

So neu scheint die Masche der türkischen Regierung aber nicht. Schon einmal habe Ankara Druck auf die Genfer Behörden ausgeübt, als ein Mahnmal für den Genozid an den Armeniern errichtet werden sollte, erinnert sich Carlo Sommaruga. Und es stehe bis heute nicht. Er hoffe, dass die Genfer Stadtregierung die türkische Forderung im aktuellen Fall der Fotografie klar ablehnten.

Die türkische Botschaft in Bern hat zur Angelegenheit noch keine Stellung genommen. Eine entsprechende Anfrage von SRF News blieb bisher unbeantwortet. Auch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten sowie die Genfer Behörden haben sich noch nicht zum Vorfall geäussert.

Türkischer Journalist verurteilt

Kritik an der türkischen Führung ist unerwünscht. Ein Istanbuler Gericht verurteilte den Chefredaktor der Zeitung «Cumhuriyet» am Montag wegen Beleidigung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zu einer Geldstrafe. Er soll rund 29'000 Türkische Lira (knapp 10'000 Franken) zahlen. Das Gericht beschuldigte den Journalisten, sowohl Erdogan, als auch dessen Sohn Bilal und mehrere Minister in seinen Kolumnen beleidigt zu haben. Der Medienschaffende bestritt die Vorwürfe und kündigte Berufung an. In den Texten hatte er den Korruptionsskandal aus dem Jahr 2013 thematisiert. Mehrere Minister der islamisch-konservativen AKP-Regierung, deren Söhne und der Sohn Erdogans waren damals in Verdacht geraten, in Korruption verwickelt zu sein.
Unterdessen kritisierte Präsidentensprecher Ibrahim Kalin den Nachrichtensender BBC für ein Interview mit Cemil Bayik, einem führenden Kommandeur der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Er unterstellte dem Sender indirekte Unterstützung von Terrorpropaganda.

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