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Schweiz «Arena»: Mehr Schweizer Waffen ins Ausland?

Schweizer Waffen dürfen in Zukunft einfacher exportiert werden. Neu auch in Länder, in denen Menschenrechte verletzt werden. Mit Stichentscheid hat der Nationalrat einer Lockerung der Exportbedingungen zugestimmt. In der «Arena» diskutieren Gegner und Befürworter der neuen Regelung.

Gemäss der Kriegsmaterialverordnung dürfen Waffen und Munition nicht in Länder geliefert werden, in denen «Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden». Neu sollen Exporte nur noch dann verboten sein, wenn ein «hohes Risiko besteht, dass das Kriegsmaterial für die Begehung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird».

In der «Arena» diskutieren:

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  • Chantal Galladé, Nationalrätin SP/ZH
  • Martin Bäumle, Präsident GLP, Nationalrat GLP/ZH
  • Roland Borer, Nationalrat SVP/SO
  • Walter Müller, Nationalrat FDP.Liberale/SG

Ein aktuelles Beispiel sind Präzisionsgewehre aus Schweizer Produktion, die in der Ukraine gegen Demonstranten eingesetzt wurden. Geliefert wurden sie im Jahr 2009. Die Lieferung sei völlig legal gewesen, betont SVP-Nationalrat Roland Borer. Obwohl ihm nicht wohl sei, dass mit Schweizer Waffen auf Demonstranten geschossen wurde.

SP-Nationalrätin Chantal Galladé möchte nach den Unruhen in der Ukraine erst recht keine Lockerung – im Gegenteil: «Das zeigt, dass man die Kriegsmaterialverordnung verschärfen muss.»

Strengstes Exportregime weltweit

Die Befürworter der Lockerung sehen das anders. «Wir werden weiterhin das strengste Exportregime aller Industriestaaten haben», sagt Borer. Zudem umfassten die Schweizer Waffenexporte einen weltweiten Anteil von lediglich 0,1 bis maximal 0,5 Prozent.

Martin Bäumle BDP/ZH sieht kein Problem, Waffen an europäische Länder zu liefern: «Problematisch sind die Länder im Grenzbereich wie Saudi-Arabien, Pakistan und einige afrikanischen Staaten, wo Menschenrechte verletzt werden. Hier findet nun eine Lockerung statt.»

Walter Müller FDP.Liberale/SG betont, dass bei Kleinwaffen (Handfeuerwaffen) keine Lockerung erfolge. Für alle anderen Waffen prüfe der Bundesrat weiterhin sorgfältig allfällige Exportbewilligungen. Die Schweizer Rüstungsbranche sei ohne eine Exportlockerung benachteiligt, was der Bundesrat in einem Bericht festgehalten habe. Die Rüstungsindustrie müsse aber zum Erhalt der Verteidigungssicherheit im eigenen Land bestehen bleiben.

Kurvendiagramm der Kriegsmaterialexporte.
Legende: Entwicklung der Kriegsmaterial-exporte der Schweiz in den vergangenen 30 Jahren. SRF

Schweizer Arbeitsplätze in Gefahr?

Die Exporte von Schweizer Kriegsmaterial waren 2013 stark zurückgegangen. 427 Arbeitsplätze gingen verloren, so bei der RUAG, Mowag oder der Rheinmetall, wie der Statistik des Seco entnommen werden kann.

Der Ausschlag (Peak) in der Liniengrafik im Jahr 2011 betreffe 25 Pilatus-Flugzeuge, die an die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert worden seien, erklärt Galladé: «Die Schwankung beläuft sich immer auf ein paar hundert Arbeitsplätze.» Aber die Lockerung der Exportbedingungen sei aus anderen Gründen gemacht worden: «Weil man Unrechtsstaaten beliefern möchte.»

Genau beziffern könne man die Zahl der Arbeitsplätze in der Rüstung sowieso nicht, sagt Borer SVP/AG: «Manche Arbeitsplätze hängen sowohl von der zivilen als auch von militärischer Produktion ab.»

Bäumle: «Vesprechen ausgehebelt»

Die Regelung über den Export von Kriegsmaterial wird nun aufgeweicht. Unterstützt hat diese Lockerung auch der Bundesrat. Für Martin Bäumle ist dies grundsätzlich ein Wortbruch. Der GLP-Nationalrat weist darauf hin, dass der Bundesrat versprochen habe, an der strikten Regelung festzuhalten.

Vor der Volksabstimmung über das Verbot von Kriegsmaterialexporten habe Bundesrätin Doris Leuthard in der «Arena» eine restriktive Exportkontrolle angekündigt. «Jetzt geht der Export etwas zurück, und schon wird dieses Versprechen wieder ausgehebelt«, stellt der GLP-Präsident fest.

Für Fabian Ochsner, Vizedirekter der «Rheinmetall Air Defence» (frühere Oerlikon-Contraves), kommt die Lockerung hingegen gerade richtig: «Uns betrifft das ganz direkt. Wir haben 1000 Arbeitsplätze in Zürich.»

Schon vor 30 Jahren habe man Fliegerabwehrprodukte nach Saudi-Arabien geliefert. Sie werden zum Beispiel zum Schutz von Energieanlagen in Riad eingesetzt. Seit der Verschärfung der Exportbedingungen konnte Rheinmetall nicht mehr liefern. «Wenn keine zusätzlichen Rüstungsgeschäfte abgeschlossen werden können, gehen wir irgendwann einmal pleite», so Ochsner.

Keine 100-prozentige Garantie gegen Missbräuche

Bislang wurden Waffenexporte nicht bewilligt, wenn:

... das Bestimmungsland Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt ...
Autor: alt: Kriegsmaterialverordnung Artikel 5, Absatz 2b

Neu ist ein Export nur dann verboten, wenn:

... im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial für die Begehung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird ...
Autor: neu: Kriegsmaterialverordnung Art 5, Absatz 2b

Das heisst im Klartext: Schweizer Waffen dürfen beispielsweise an Saudi-Arabien oder Pakistan exportiert werden, was bisher verboten war. Trotz Verbot wurden aber in den vergangenen Jahren Schweizer Waffen und Munition in Libyen, Bahrain oder in Syrien eingesetzt.

Walter Müller FDP/SG sieht es als eine wichtige Aufgabe, zu verhindern, dass Schweizer Waffen in die falschen Hände geraten. Dazu müssen die Empfängerstaaten ein Endverbraucherzertifikat unterschreiben, dass die Waffen nicht weiterverkauft werden. Aber: «Eine 100-prozentige Sicherheit wird es nie geben.»

Jo Lang, Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA), widerspricht diesem Kontrollmechanismus. Beispiele gebe es genug. So hätten etwa die Vereinigten Arabischen Emirate ein Endverbraucherzertifikat unterschrieben, aber «sie haben die Schweiz ‹versecklet› – mit Panzerhaubitzen, die dann in Marokko aufgetaucht sind!»

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Missbräuche verhindern

Mit der jetzigen neuen Regelung könne der Bundesrat bei Exporten viel besser differenzieren, meint Fabian Ochsner (Rheinmetall). Unter dem bisherigen Regime waren Waffenlieferungen zum Beispiel an Saudi-Arabien ausgeschlossen. «Mit der neuen Regelung kann Rheinmetall zum Beispiel Fliegerabwehrprodukte liefern, aber die RUAG keine Handgranaten».

Seit 1998 seien 40‘000 Ausfuhrgesuche bewilligt worden. Davon seien vier oder fünf Verstösse gegen das Kriegsmaterialgesetz bekannt geworden. Die Dunkelziffer ist nach Ansicht von Ochsner sehr gering. Und schliesslich seien bei Konflikten immer Journalisten dabei, die eingesetzte Waffen dokumentierten und so der Rüstungsindustrie auf die Finger schauten.

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