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Die SVP und der Stadt-Land-Graben – was steckt dahinter?
Aus Info 3 vom 03.08.2021. Bild: Keystone/Archiv
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Chiesas 1. August-Rede Stadt gegen Land: Wie viel Wahrheit steckt in der SVP-Strategie?

Mit Aussagen über «Schmarotzer-Städte» zulasten des Landvolks greift die SVP zu kurz. Das weiss die Partei natürlich.

Mit der Provokation kennt sich die SVP aus. Vor den eidgenössischen Wahlen vor zwei Jahren ging die Volkspartei mit einem Plakat auf Stimmenfang, das einen von Würmern zerfressenen Apfel zeigte. Der Apfel symbolisierte die Schweiz, die Würmer die anderen Parteien.

So richtig verfangen hat die Apfel-Symbolik nicht. Mehr emotionalen Zündstoff dürfte der Stadt-Land-Graben bieten, den verschiedene SVP-Vertreter seit einiger Zeit konsequent bewirtschaften.

«Luxus-Linke» und «Bevormunder-Grüne»

So sprach SVP-Fraktions-Chef Thomas Aeschi zum 1. August davon, dass «die grossen Städte immer mehr auf Kosten der Landschaft leben». Parteipräsident Marco Chiesa machte deutlich: «Die Luxus-Linken und Bevormunder-Grünen in den Städten wollen allen anderen im Land vorschreiben, wie sie denken und leben sollten. Immer mehr bezahlt die Landbevölkerung die Privilegien der Städte.»

Land gegen Stadt – bürgerlich gegen links – Rechtschaffenheit gegen Schmarotzertum. Das sind die Gegensätze, die das Wahlvolk mobilisieren sollen.

Matter: Bevölkerung «sensibilisieren»

Für den Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter geht es bei dieser Rhetorik allerdings nicht um die Wahlen 2023. Ihm sei einfach aufgefallen, wie gross die Unterschiede zwischen Stadt und Land seien. Jetzt wolle man die Bevölkerung: «Wir sehen einfach, dass die Rot-Grünen sich in den grossen Städten Sachen leisten, die sich das Land nicht leisten könnte. Und wir haben festgestellt, dass das Land dies auch zu einem rechten Teil finanziert.»

Wir sehen einfach, dass die Rot-Grünen sich in den grossen Städten Sachen leisten, die sich das Land nicht leisten könnte.
Autor: Thomas Matter Nationalrat, SVP/ZH

Die Agglomeration spielt also häufig das Zünglein an der Waage. Politikwissenschafter Urs Bieri vom Forschungsinstitut gfs in Bern hat für SRF die Abstimmungsvorlagen der letzten 40 Jahre auf einen möglichen Stadt-Land-Graben überprüft.

Acht Prozentpunkte

Bieri kommt zum Schluss: «Es gibt den Graben, aber er ist deutlich kleiner, als aktuell diskutiert wird. Über die nationalen Abstimmungen der letzten 40 Jahre hinweg macht dieser Stadt-Land-Graben acht Prozentpunkte aus. In einigen Fällen kippen die Mehrheiten in Richtung Stadt oder Land. Aber riesig ist der Graben nicht.»

Es gibt den Graben, aber er ist deutlich kleiner, als aktuell diskutiert wird.
Autor: Urs Bieri Politikwissenschafter, Forschungsinstitut gfs, Bern

Zudem kippe eine Vorlage nur dann, wenn im jeweils anderen Milieu eine grosse Minderheit vorhanden sei. Ein Beispiel dafür ist das im September knapp abgelehnte Jagdgesetz. Die Vorlage stiess vor allem bei den Städtern auf Widerstand, wurde aber auch auf dem Land von 43 Prozent der Bevölkerung versenkt.

Städteverband: Es geht nur miteinander

Bleibt die Behauptung, dass finanziell ein Transfer vom Land in die Stadt stattfindet. Renate Amstutz, Direktorin des Schweizerischen Städteverbands, ärgert sich über diese Polemik. Es gehe nur miteinander, betont sie.

Klar sei aber, dass die Zentren der wirtschaftliche Motor des Landes seien: «Die Wirtschaft hier leistet 84 Prozent der gesamtschweizerischen Wirtschaftsleistung. Diese ermöglicht, dass wir im ganzen Land –   in allen Dörfern, Städten und Gemeinden – Dienstleistungen und Infrastrukturen auf recht hohem Niveau anbieten können».

Die Wirtschaft hier leistet 84 Prozent der gesamtschweizerischen Wirtschaftsleistung.
Autor: Renate Amstutz Direktorin, Schweizerischer Städteverband

Der Finanzausgleich

Zudem werden die wirtschaftlichen Differenzen über das recht komplizierte System des Finanzausgleichs geglättet. Dieser Ausgleich findet innerkantonal zwischen den Gemeinden und auf Bundesebene zwischen den Kantonen statt.

Das weiss natürlich auch die SVP. Die Volkspartei weiss aber auch, dass ein kerniger Satz über die schmarotzende Stadtbevölkerung besser verfängt als eine komplizierte Erklärung zum Finanzausgleich.

Echo der Zeit, 03.08.2021, 18:00 Uhr

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