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Schweiz «Es gibt eine starke Korrelation zwischen Kiffen und Gewalt»

Während die einen jubeln, bleibt den anderen ob der Nachricht die Spucke weg: In vier Schweizer Städten sind Clubs geplant, die bald ganz legal Cannabis verkaufen. SRF News hat Stimmen gefangen – von einem überzeugten Befürworter des Plans und einem dezidierten Skeptiker.

Bis zu 2000 Kiffer dürfen hierzulande bald legal ihrer Leidenschaft frönen. Im Rahmen wissenschaftlicher Versuchsanordnungen eröffnen Zürich, Bern, Basel und Genf bald sogenannte «Social Clubs», in denen ungeniert geraucht werden darf.

Beschreitet die Schweiz – einmal mehr – neue und wegweisende Pfade in der Drogenpolitik? Oder läutet sie den Untergang ihrer Gesellschaft ein?

Oliver Berg

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Oliver Berg ist ärztlicher Leiter am Arud Zentrum für Suchtmedizin in Horgen. Die Arud setzt sich an vier Standorten in Zürich für die Entkriminalisierung, Entstigmatisierung und für die Gesundheit und Lebensqualität von Suchtkranken ein.

Der Befürworter: Oliver Berg

Die gewichtigsten Argumente für den legalen Verkauf von Cannabis in «Social Clubs» ist laut Berg «die Schwächung des Schwarzmarktes». Weiter trüge der Plan einem medizinischen Bedürfnis Rechnung. Eine solche Abgabe ermögliche es nämlich, den THC-Gehalt und den CBD-Gehalt je nach Bedarf des einzelnen Konsumenten klar zu definieren.

Weiter sei das Marihuana und das Haschisch, das heute auf der Strasse erworben werde, oft mit Blei und Herbiziden verunreinigt. Im Club könnte das Cannabis demgegenüber quasi «genormte Bedingungen» aufweisen, wie beispielsweise derzeit der Alkohol.

Ferner würde «der komplexe Handel mit Cannabis gehemmt». Da die in den Clubs verkauften Produkte genau dosiert seien, liessen sie sich von potenziellen Dealern schlechter weiterverkaufen. Will heissen: «Derjenige, der im Club Cannabis kauft, wird es tendenziell selber konsumieren.»

Die Projekte würden dem Einkaufstourismus entgegenwirken, der ohnehin schon floriert.
Autor: Oliver Berg Ärztlicher Leiter Arud

Darüber hinaus würde die legale Abgabe in Clubs «zur Prävention dienen». Ähnlich wie in Spielcasinos könnten die Verantwortlichen reagieren und allenfalls einschreiten, wenn sie merkten, dass der Konsum jemandem nicht gut tut.

Weiter wirken die Projekte «dem Einkaufstourismus entgegen, der ohnehin schon floriert». Dies, weil der Konsum zentralisiert und nicht auf den Gassen stattfände. Man könnte den Verkauf laut Berg auch auf die Schweizer Wohnbevölkerung begrenzen oder nur Kleinstmengen an Auswärtige abgeben.

Schliesslich profitierte auch die Schweizer Bevölkerung davon. «Der Konsum fände nicht mehr im öffentlichen Raum statt, die unmittelbare Sichtbarkeit würde vermieden.»

Martin Killias

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Martin Killias ist seit 2013 ständiger Gastprofessor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Universität St. Gallen (HSG). Zuvor war er Ordinarius am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich.

Der Gegner: Martin Killias

Anders als bei der Methadon-Abgabe, bei der sich Schwerstsüchtige beteiligen, ist bei den Cannabis-Clubs «die Gruppe der Teilnehmer völlig unbestimmt». Eine Zulassungsbedingung wie etwa schwere Symptome sei nicht vorgesehen. Insofern habe man auch keine Kontrolle darüber, wer das Cannabis am Ende konsumiere.

Was das Versuchs-Setting betreffe, sei ein weiterer Unterschied zur Heroin-Abgabe der, dass das Heroin in einer Klinik abgegeben worden sei und unter Kontrolle sofort habe konsumiert werden müssen. «Es durfte kein Stoff mitgenommen werden, und so ist auch nichts vom Stoff in den Schwarzmarkt diffundiert.» Bei den Cannabis-Clubs sei hingegen «völlig offen, wie sich der weitere Handel gestaltet.» Und wer sich in den Clubs als Mitglied registriere, könne das Cannabis mitnehmen und es weitergeben.

Weiter sei bedenklich, dass die Wirkung von Cannabis «nicht wie die eines klassischen Medikaments experimentell geklärt ist.» Man sei hier stattdessen auf Korrelationsstudien angewiesen, die nie eindeutig seien. So habe sich – zum Vergleich – bei den ersten Studien zum Zusammenhang von Lungenkrebs und Asbest das Problem ergeben, dass die Betroffenen meist auch Kettenraucher waren. Ähnlich könne man auch bei Cannabis-Konsumenten, die Psychosen erlebten, behaupten, dass nicht das Cannabis diese ausgelöst hätten, sondern eine entsprechende Veranlagung bestanden habe. Doch ob man den Betroffenen mit solchen Relativierungen einen Dienst täte, zieht Kilias in Zweifel.

Dass mehr Unfälle bei der Arbeit geschehen, weil die Leute zugedröhnt sind, steht für mich ausser Frage.
Autor: Martin Killias Professor für Strafrecht

Ferner wüssten wir schlicht nicht, wie sich die Explosion des Cannabis-Konsums ab 1990 in 20 bis 30 Jahren ausgewirkt haben wird, wenn die heutigen Konsumenten 40 bis 50 Jahre alt seien. Das heisst. «Bis wir sehen, welche verheerende Folgen der Cannabis-Konsum womöglich hat, der ab den 90er-Jahren florierte, müssen wir noch einmal 20 bis 30 Jahre warten.»

Es stehe darüber hinaus ausser Frage, «dass mehr Unfälle in der Arbeit und im Verkehr geschehen, weil die Leute zugedröhnt sind.»

Der Cannabis-Konsum sei schliesslich nicht zufällig unter Realschülern verbreiteter als unter Gymnasial-Schülern. «Das ist sicher nicht nur, weil die Gymi-Schüler braver wären – sondern weil Schüler, die regelmässig kiffen, vermutlich anspruchsvollere Schulen nicht mehr schaffen.»

Schliesslich gäbe es «eine starke Korrelation von Kiffen und Gewalt». Auch wenn dies kaum einer wahrhaben wolle: Sie sei stärker als beim exzessiven Trinken.

Sendebezug: SRF 4 News, 12.02.16, 6 Uhr

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