Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Freigestellte Aspiranten Polizeischule Amriswil: Ein Fall, zwei Sichtweisen

Wegen vermeintlich rassistischer und sexistischer Vorfälle entliessen die Korps ihre Aspiranten – nur Graubünden nicht. Warum?

Die Kantonspolizei Graubünden hält als einziges Ostschweizer Korps an ihren beiden Polizeischülern fest. Nach einem ersten Schweigen erklärt Kommandant Walter Schlegel nun, weshalb er keinen Entlassungsgrund sieht, obwohl alle anderen Korps ihre Aspiranten fristlos entlassen haben. Er sucht für die beiden betroffenen Aspiranten eine neue Polizeischule, wo sie ihre Ausbildung fertig machen und dann als Polizisten in Graubünden arbeiten können.

Ausgelöst wurde alles durch einen Whistleblower, der Anfang November der Polizeischule Amriswil vermeintlich rassistische und sexistische Vorfälle gemeldet hat. Insgesamt fünf Aspiranten aus vier Korps waren betroffen.

Sitzbereich im Freien mit Flaggen an einem Gebäude.
Legende: Die rassistischen und sexistischen Äusserungen sollen im Rahmen der Polizeischule in Amriswil gefallen sein. Keiner der betroffenen fünf Schüler darf an die Schule zurückkehren. POLIZEISCHULE OSTSCHWEIZ

Die Kantonspolizeien St. Gallen und Thurgau sowie die Stadtpolizei St. Gallen stellten ihre Aspiranten daraufhin sofort frei. Graubünden hingegen prüfte die Vorwürfe laut Werner Schlegel eingehend und kam zu einem anderen Schluss.

Das sind keine Rassisten. Es ist auch keine rassistische Haltung feststellbar.
Autor: Walter Schlegel Kommandant der Kantonspolizei Graubünden

Die Fachstelle Rassismus, Sexismus, Mobbing der Polizeischule Amriswil lieferte einen Bericht, doch Walter Schlegel hielt ihn für zu wenig konkret. Die Aussagen seien zeitlich nicht plausibel oder inhaltlich nicht verwertbar, sagt er gegenüber SRF. Und weiter: «Das sind keine Rassisten. Es ist auch keine rassistische Haltung feststellbar. Darum sind die Anschuldigungen haltlos.»

Wir haben nie gesagt, dass jeder Polizeischüler genau das Gleiche gesagt oder gepostet hat.
Autor: Jürg Zingg Ostpol-Präsident und Kommandant Kapo Thurgau

Anders sieht es der Kommandant der Thurgauer Kantonspolizei, Jürg Zingg – zumindest im Fall seines Aspiranten. Zingg ist auch Präsident des Ostschweizer Polizeikonkordats (Ostpol), zu dem Graubünden gehört. Als vor einer Woche bekannt wurde, dass die Kantonspolizei Graubünden ihre beiden Aspiranten nicht entlassen wird, meinte er: «Wir haben nie gesagt, dass jeder Polizeischüler genau das Gleiche gesagt oder gepostet hat.»

So oder so – für ihn haben alle fünf betroffenen Polizeischüler gegen die Polizeiethik verstossen. «Dieser Meinung bin ich nach wie vor», sagt Jürg Zingg gegenüber SRF. Und er doppelt nach: «Das manifestiert sich durch die Tatsache, dass keiner dieser fünf an die Schule zurückkehrt.» Weiter könne und wolle er den Fall nicht kommentieren, weil er die Aktenlage nicht im Detail kenne.

Politische Reaktionen

Der Entscheid der Kantonspolizei Graubünden sorgt für Diskussionen. Alle Parteien wollen mehr Transparenz. Julia Müller, Präsidentin der SP Graubünden, fordert Nulltoleranz beim Thema Rassismus, und «dass man genau nachfragt, wie der Entscheid zustande gekommen ist». Auch Walter Grass, Fraktionschef der SVP, fordert «eine lückenlose Aufklärung», betont aber bis dahin die Unschuldsvermutung.

Anders sieht das der zuständige Sicherheitsdirektor Peter Peyer. Er äusserte sich gestern im Kantonsparlament dazu und stützte den Entscheid der Kantonspolizei. Der Bericht der Rassismus-Fachstelle sei eingehend geprüft worden. Das Fazit: Die Vorwürfe gegen die beiden Bündner Aspiranten seien weder zeitlich noch inhaltlich verifizierbar und damit nicht belastbar genug für personalrechtliche Konsequenzen. Trotzdem könne man daraus lernen: In Zukunft müsse man die Aspiranten bei diesem Thema «früher und noch besser schulen».

Die anderen betroffenen Korps – die Kantonspolizeien Thurgau und St. Gallen sowie die Stadtpolizei St. Gallen – halten hingegen an ihren ursprünglichen Einschätzungen fest. Sie bleiben bei ihrem Entscheid, die beschuldigten Polizeischüler zu entlassen. Aktuell wollen sie sich nicht weiter zum Fall äussern.

Regionaljournal Ostschweiz, 8.12.2025, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel