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Schweiz Pharma-Millionen für Schweizer Ärzte-Gesellschaften

Schweizer Ärzte sind gut organisiert: Über Fachgesellschaften setzen sie sich für ihre Anliegen ein. Neue Zahlen zeigen, wie stark sie von der Pharma unterstützt werden – und warum das teilweise problematisch ist.

Sie kümmern sich um die Wehwehs der Doktoren: die Schweizer Ärztegesellschaften. Gleich mehrere Dutzend solcher Fachgesellschaften,Verbände und Vereinigungen setzen sich in der Schweiz für das Wohl und die Interessen von Ärzten ein. Sie machen Umfragen zur Arbeitsbelastung, organisieren Fortbildungen und fördern Forschung und Entwicklung.

Eine der grossen Stärken der Fachgesellschaften ist ihre Unabhängigkeit. Darauf pochen sie selbst immer wieder: Dass die Ärzte in ihren Entscheidungen unabhängig bleiben. In dieser Rolle erarbeiten sie Guidelines und Standards für die Ärzte des Landes.

Jetzt zeigt eine neue Auswertung von SRF Data, dass Schweizer Ärztegesellschaften Geld von der Pharmaindustrie erhalten. Rund 8 Millionen Franken bekamen Dutzende von Ärztegesellschaften im Jahr 2015 von der Pharma. Als Spenden, für Sponsoring von Events oder als Honorar für Dienstleistungen.

Legende:
So fliessen die Pharma-Zahlungen an lokale Gesundheitsorganisationen SRF Data

Für Tilman Slembeck, Gesundheitsökonom an der Universität St. Gallen, stellt sich die Frage nach der Unabhängigkeit dieser Verbände und Fachgesellschaften: «Es ist logisch, dass man ein Produkt, das man empfohlen bekommen hat, eher verwendet als ein anderes.»

Walter P. Hölzle, Präsident der Vereinigung der Pharmafirmen VIPS betont: Bei den Zahlungen an Ärzteorganisationen oder Fachgesellschaften handle es sich um ungebundene Gelder. Damit könne man sich keinen Einfluss erkaufen: «Das sind allgemeine Gelder, die die Fachgesellschaften für Weiterbildungen oder Kongresse einsetzen.» Der einzige Vorteil, den ein Sponsor habe: «Er erhält einen Stand, wo er selbstverständlich seine Produkte oder seine neuesten Studiendaten direkt an die Teilnehmer präsentieren kann.»

Wer von den Millionen profitiert

Am meisten Geld bekam die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung SAKK – rund eine Million Franken im Jahr 2015. Der gemeinnützige Verein entwickelt neue Therapien für die Behandlung von Krebs und ist Ansprechpartner für Behörden, Verbände und Pharmaunternehmen.

Wie kann die SAKK gewährleisten, dass solche Sponsorings keinen Einfluss auf ihr Wirken haben?

Geldgeber hätten keinen Einfluss darauf, welche Forschung man durchführe, schreibt die SAKK in einer Antwort. Es gäbe strenge Richtlinien bezüglich Interessenkonflikte. Als non-profit Organisation orientiere sich die SAKK am potenziellen Nutzen für Patientinnen und Patienten: «Sie stehen im Zentrum unserer Forschungstätigkeit.»

Die erwähnten Zahlungen würden für Weiterbildung und Nachwuchsförderung verwendet. Dies sei nötig, weil die Unterstützung durch den Bund beschränkt sei. Allerdings weist die SAKK in ihrem Jahresbericht einen höheren Betrag für Industriekooperationen aus: 4,6 Millionen Franken. Das ist fast so viel wie die jährliche Unterstützung durch den Bund. Das restliche Geld seien Unterstützungsgelder der Industrie für konkrete Studienprojekte. Die SAKK betont, dass solche Drittmittel nötig und erwünscht seien, «um eine hochstehende nationale und internationale klinische Forschung betreiben zu können.»

Die Top 9 Fachgesellschaften und Ärzteverbände nach deklarierten Zahlungen

Die Top 9 Fachgesellschaften und Ärzteverbände
NameGesamtsumme in CHF
Anzahl Zahlungen von Firmen
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung980'39818
Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin612'36417
Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie487'09112
Rheuma Schweiz340'5475
Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie259'55016
Kollegium für Hausarztmedizin236'48416
Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie & Mitgliederorganisationen232'39725
Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie & Diabetolgie220'1007
Schweizerische Ophthalmologische Gesellschaft211'7544

An zweiter Stelle steht die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin – die grösste Fachgesellschaft der Schweiz. Von 17 unterschiedlichen Firmen hat sie im Jahr 2015 mindestens 600‘000 Franken bekommen.

Für den Gesundheitsökonomen Tilman Slembeck ist die Motivation der Unternehmen klar: «Pharmafirmen sind sehr professionelle und profitorientierte Firmen. Wenn die solche Zahlungen machen, muss man davon ausgehen, dass die das nicht als Geschenk machen, sondern dass sie sich letztlich auch eine Wirkung für ihr Geschäft versprechen.»

SRF Data hat die deklarierten Zahlungen an Gesundheitsinstitutionen von den Webseiten der Pharmaunternehmen gesammelt und aggregiert. Weil die Organisationen hier mit Tochtervereinen und regionalen Ablegern gruppiert wurden, können sich die Zahlen von der oberen Tabelle leicht unterscheiden. Durchsuchen Sie die Daten:

Die Rohdaten und eine Beschreibung des Vorgehens finden Sie hier, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels wurde die «Schweizerische Herzstiftung» als Ärztegesellschaft benannt. Dies ist falsch. Sie ist eine Patientenorganisation.

Über die Daten

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Die Daten basieren auf Selbstdeklarationen jener Firmen, die den Pharma-Kooperations-Kodex unterzeichnet haben. SRF Data hat die Daten gesammelt, aggregiert und stellt sie der Öffentlichkeit zur Verfügung: Zum Vorgehen und zu den Rohdaten.

Regeln existieren

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Laut Jürg Schlup, Präsident der Ärzteverbindung FMH, bestehen Regeln für Transparenz bei den Zahlungen. «Als privater Verein können wir aber nicht gesetzlich eingreifen.» Der Verzicht aller Zahlungen der Pharmaindustrie sei nicht möglich: Weiterbildungen in der heutigen Form wären nicht mehr möglich, da ein Grossteil der Gelder dorthin fliesse.

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