Noch nie wurden in der Schweiz so viele Menschen von Spitex-Organisationen oder privaten Pflegeanbietern betreut. Das hat der Bund am Dienstag bekannt gegeben.
Die privaten Anbieter haben sich aber nicht nur etabliert, sondern haben auch stark zugelegt – vor allem, weil sie vermehrt auf pflegende Angehörige setzen. Diese sind aber oft weniger gut ausgebildet. Bleibt die Qualität der Pflege gewährleistet? Die Verbände sind sich nicht ganz einig.
Private unentbehrlich?
Marcel Durst, Präsident des Verbands privater Spitex-Anbieter ASPS, vertritt 481 Organisationen, die über 90 Prozent der privaten Spitex-Stunden leisten. Ihm zufolge sind die privaten Anbieter mittlerweile unverzichtbar: «Ohne die privaten Anbieter wäre der gestiegene Pflegebedarf nicht zu decken gewesen.»
Laut Durst liegt der Marktanteil privater Anbieter bei 35 Prozent – bei der Grundpflege gar bei 43 Prozent.
Sorgen um die Qualität macht er sich nicht: «Organisationen, die ausschliesslich Angehörigenpflege anbieten, benötigen dieselben Betriebsbewilligungen wie öffentliche Spitex-Organisation.»
Die Qualitätskontrolle liege bei den Kantonen. Angehörige dürften ausserdem ausschliesslich Grundpflege leisten und würden dabei von Fachpersonen begleitet.
Private Anbieter unterliegen keiner Versorgungspflicht. Ein Vorteil? Durst verneint. Es stimme zwar, dass seine Mitglieder nicht jeden Auftrag erfüllen müssen – dafür würden sie aber auch weniger entschädigt. «Im Kanton Zürich, wo wir über 50 Prozent Marktanteil haben, werden wir mit über 50 Franken weniger pro Stunde finanziert.» Das erschwere einen kostendeckenden Betrieb.
Spitex fordert engere Kontrolle
Marianne Pfister, Co-Geschäftsführerin des Verbands Spitex Schweiz, ist vom Wachstum der privaten Anbieter nicht überrascht – und auch nicht grundsätzlich kritisch: «Der Bedarf an Pflegeleistungen zu Hause steigt Jahr für Jahr. Entsprechend braucht es verschiedene Modelle, um die Versorgung sicherzustellen.»
Die Qualität der Pflege müsse aber oberste Priorität haben. Sie fordert deshalb eine Ausbildungspflicht für pflegende Angehörige.
Zum Vorwurf, private Anbieter führten ein lukratives Geschäftsmodell auf Kosten der Klienten, sagt sie: «Es geht nicht darum, ob eine Organisation privat oder öffentlich ist. Entscheidend ist, ob die Qualität stimmt und ob unangemessene Gewinne vermieden werden.»
Die heutige Finanzierung sei teilweise zu hoch. Deshalb fordert Pfister schweizweit einheitliche Regeln: Die Entschädigung für Angehörigenpflege sollte tiefer liegen als jene für professionelle Pflege.
Kritik am Flickenteppich
Auch der Bundesrat hat sich kürzlich zum Thema geäussert. Pflegende Angehörige seien ein zentraler Pfeiler der Gesundheitsversorgung und es sei legitim, dass sie für ihre Arbeit entschädigt würden. Für die Sicherstellung von Qualität und Wirtschaftlichkeit seien die Kantone zuständig. Sie könnten laut Empfehlung Richtlinien erlassen.
Bisher hat der Bundesrat keine Initiative gezeigt, um diese Fragen auf nationaler Ebene zu klären.
Marcel Durst hingegen fordert nationale Regelungen – statt 26 unterschiedliche kantonale Lösungen. «Jetzt geht es darum, klare Definitionen zu schaffen, die Finanzierung zu regeln und eine Statistik zu führen. Das wäre eigentlich Aufgabe des Bundes. Doch bisher hat der Bundesrat keine Initiative gezeigt, um diese Fragen auf nationaler Ebene zu klären.»