Darum geht es: Die SBB haben einen Milliardenauftrag statt an den Schweizer Zughersteller Stadler an das deutsche Unternehmen Siemens vergeben. Dass ein ausländisches dem Schweizer Unternehmen vorgezogen wurde, löste lautstarke Kritik aus. Mehrere Parlamentarierinnen und Parlamentarier forderten mehr Swissness bei Beschaffungen. Die SBB verweist derweil auf das öffentliche Beschaffungsrecht, wonach inländische Unternehmen nicht bevorzugt werden dürfen.
Deshalb darf Swissness keine Rolle spielen: Die Schweiz hat ein Abkommen der Welthandelsorganisation WTO über öffentliche Beschaffungen unterzeichnet. Darauf verweist Rika Koch, Professorin für öffentliches Beschaffungsrecht an der Berner Fachhochschule. Die Schweiz dürfe Anbieter aus Ländern, die dieses Abkommen unterzeichnet haben, daher nicht diskriminieren. Dem Abkommen gehören etwa EU-Länder oder die USA an, Russland und China jedoch beispielweise nicht. «Das ist kein Selbstzweck, sondern Eigeninteresse», sagt Rika Koch. «Die Schweiz hat als kleines Land so mehr Auswahl und kann für ihre Steuergelder bei Beschaffungen ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis erhalten.»
Diese Kriterien zählen bei Beschaffungen: Die jeweiligen Auftraggeber, in diesem Fall die SBB, können die Kriterien selber festlegen. Gemäss der Expertin für Beschaffungsrecht Rika Koch haben sie dabei relativ viel Spielraum – zumindest seit 2021 das revidierte Beschaffungsrecht in Kraft getreten ist. Das neue Beschaffungsrecht sehe vor, das nicht nur der billigste Preis zähle, sondern Qualitätskriterien. «So sollen und können etwa auch Kriterien der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit eine Rolle spielen.» Internationale Verpflichtungen, wie das WTO-Abkommen, müssen aber in jedem Fall eingehalten werden.
Trotzdem gibt es Beschwerden: Der Ablauf von öffentlichen Beschaffungen ist eigentlich klar geregelt: Der Auftraggeber definiert und publiziert die Kriterien und darf bei der Vergabe nicht davon abweichen. Trotzdem gibt es immer wieder Beschwerden gegen die Vergabe solcher Aufträge. Weshalb ist das so? Das Bundesverwaltungsgericht schreibt auf Anfrage, dass bei öffentlichen Beschaffungen die Anforderungen an Transparenz, Gleichbehandlung und Nachvollziehbarkeit hoch seien. Unklarheiten in den Ausschreibungsunterlagen oder bei der Bewertung könnten daher zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Zahlen dazu, wie oft Beschwerden erfolgreich sind, gebe es nicht.
Das gilt bei IT-Projekten: Gerade im Zusammenhang mit IT-Projekten wurde in letzter Zeit immer wieder gefordert, dass vermehrt auf inländische Lösungen gesetzt werden soll, statt auf Lösungen des US-Unternehmens Microsoft. Beschaffungsrecht-Expertin Rika Koch sagt, das WTO-Abkommen sehe eine Ausnahmeklausel vor, so dass Beschaffungsstellen bei berechtigten Sicherheitsbedenken gewisse geografische Einschränkungen treffen können. Bei IT-Projekten könne diese Ausnahmeklausel zur Anwendung kommen und ein Inländervorrang könne sich rechtfertigen lassen, sagt Rika Koch: «Es soll aber auch hier ein strategischer Entscheid sein und kein emotionaler. Denn wir sind auch bei der IT auf höchste Qualität angewiesen.»