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NDB: Weder Bestätigung noch Dementi
Aus Echo der Zeit vom 02.05.2017. Bild: Keystone
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Spionage-Affäre mit Folgen «Schweigen des Bundesrats kommt einer Bestätigung gleich»

Wie wirkt sich der Fall auf die schweizerisch-deutschen Beziehungen aus? Einschätzungen von SRF-Korrespondent Burkhardt.

Es klingt mehr als brisant: Ein vergangene Woche verhafteter Schweizer – so der Vorwurf – soll im Auftrag des hiesigen Nachrichtendienstes deutsche Steuerfahnder ausspioniert haben. Zum konkreten Fall wollte man heute in Bern keine Antworten geben, man äussere sich nicht zu laufenden Verfahren. SRF-Bundeshaus-Korrespondent Philipp Burkhardt schätzt die Lage ein.

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Schweizer in Deutschland unter Spionageverdacht
Aus 10 vor 10 vom 02.05.2017.
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SRF: Was gilt als gesichert in dieser Affäre?

Philipp Burkhardt: Nur sehr wenig. Wirklich gesichert ist eigentlich nur, dass in Frankfurt am Main am Freitag ein 54-jähriger Schweizer, Daniel M., festgenommen worden ist, den die deutschen Behörden dringend verdächtigen, für den schweizerischen Nachrichtendienst tätig gewesen zu sein. Gesichert ist auch, dass gegen den gleichen Daniel M. in anderer Sache bereits ein Verfahren der schweizerischen Bundesanwaltschaft läuft. Alles andere sind im Moment bloss Behauptungen.

Bundesrat Parmelin und der Chef des Nachrichtendienstes, Markus Seiler, schweigen. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Hätte der verhaftete Schweizer keinen Auftrag des hiesigen Nachrichtendienstes gehabt, dann hätten das Bundesrat Parmelin und der Nachrichtendienstchef dementieren können. Ihr Schweigen zur Angelegenheit kommt somit faktisch einer Bestätigung gleich.

Der von Deutschland als Schweizer Spion beschuldigte Daniel M. behauptet, er habe einen Auftrag vom schweizerischen Nachrichtendienst gehabt. Der NDB wiederum hat gegenüber den Aufsehern des Parlaments beteuert, Daniel M. sei keiner ihrer Mitarbeiter. Lügt da jemand?

Nicht unbedingt, es könnte gut sein, dass beide Seiten die Wahrheit sagen. Das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS) gibt dem Nachrichtendienst des Bundes NDB nämlich die Möglichkeit, sogenannte Informanten zu beschäftigen. Diese sind nicht beim NDB angestellt, sondern werden von ihm für einzelne Informationen entschädigt. Solche Informanten können für bestimmte Operationen auch mit Tarnidentitäten ausgestattet werden. Gut möglich, dass Daniel M. als solcher Informant des NDB unterwegs war, ohne zum Mitarbeiterstab zu gehören.

Die Anwälte von Daniel M. behaupten, er werde von den deutschen Behörden beschuldigt, deutsche Steuerfahnder ermittelt zu haben, die illegal in der Schweiz aktiv gewesen seien – im Zusammenhang mit gestohlenen Bankdaten. Wäre das wirklich eine Aufgabe des NDB?

Nachrichtendienstchef Markus Seiler behauptet, das sei ganz klar der Fall und legal. An der Medienkonferenz hat er es so formuliert: «Wenn jemand mit illegalen Mitteln in der Schweiz Staatsgeheimnisse oder andere schützenswerte Geheimnisse – kommt drauf an, ob es wirtschaftlicher oder politischer Nachrichtendienst ist – stiehlt, dann gilt das als Spionage. Und dann haben wir den Auftrag, das zu bekämpfen.»

Das würde ich als gewagte Aussage bezeichnen. Fakt ist: Am 20. November 2013 hat der Bundesrat auf eine Interpellation von CVP-Ständerat Pirmin Bischof klipp und klar festgehalten: «Der Bundesrat konnte bis anhin den NDB nicht zum Schutze des Wirtschaftsstandortes einsetzen, da der NDB in diesem Bereich über keine hinreichenden rechtlichen Grundlagen verfügt.» Deshalb hat man dann auch im neuen Nachrichtendienstgesetz, das noch nicht in Kraft ist, dem Nachrichtendienst zusätzlich die Möglichkeit gegeben, zum Schutz des Finanzplatzes Schweiz aktiv zu werden.

Was bedeutet das Auffliegen dieser Affäre für die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland?

Das ist auf jeden Fall ein schlechtes Zeichen. Dass Spione ertappt werden, ist an und für sich nichts Aussergewöhnliches. Aber meist werden solche Fälle diskret unter den Staaten abgewickelt. Dass ein Staat die Verhaftung eines mutmasslichen Spions öffentlich bekannt gibt, das darf als deutliches Zeichen des Missfallens von deutscher Seite gewertet werden.

Stellungnahme des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB):

«Der verbotene Nachrichtendienst gehört nach Art. 2 Abs. 1 BWIS in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 lit. B Ziffer 2 V-NDB zu den Arbeitsfeldern des Nachrichtendienstes. (…) Massgebend für Inhalt und Tragweite der nachrichtendienstlichen Norm ist somit der strafrechtliche Tatbestand des verbotenen Nachrichtendienstes. Nach Art. 273 Strafgesetzbuch gehört zu dessen Erscheinungsformen auch der wirtschaftliche Nachrichtendienst. (…) Nach dem Gesagten steht dem Inlandnachrichtendienst ein weites Betätigungsfeld offen, soweit es darum geht, Aktivitäten in der Schweiz frühzeitig zu erkennen und aufzudecken, die Züge des verbotenen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes aufweisen; nach geltender Rechtslage besteht dafür eine genügende gesetzliche Grundlage. Dies gilt insbesondere, wenn der NDB zur Unterstützung einer Strafverfolgungsbehörde handelt.»

Philipp Burkhardt

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Philipp Burkhardt

Burkhardt ist Leiter der Bundeshausredaktion von Radio SRF, für das er seit 15 Jahren tätig ist. Davor hatte er unter anderem für «10vor10» und die «SonntagsZeitung» gearbeitet.

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