«Vater, ich segne diesen Mann», betet Miro Wittwer und umarmt einen Fremden. Wittwer ist einer der bekanntesten christlichen Influencer der Schweiz. Die «Rundschau» trifft ihn auf dem Sechseläutenplatz in Zürich. Seine Botschaften kommen nicht immer gut an. «Fass mich nicht an», sagt ein Mann, als ihm Wittwer die Hand auf die Schulter legen will. «Wir wollen niemanden stören», entgegnet Wittwer. Doch er müsse diese Botschaft der Liebe verbreiten – aus Gehorsamkeit gegenüber Gott.
Homophobe Botschaften
Wittwer ist seit 2023 gläubiger Christ – und missioniert seither nicht nur auf der Strasse, sondern auch online. Auf Instagram und Tiktok folgen ihm je über 20'000 Menschen. Doch der «Christfluencer» predigt nicht nur über die Liebe Gottes. Auf seinen Social-Media-Kanälen finden sich auch homophobe Inhalte. «Es ist ein Gräuel, wenn zwei Männer miteinander Sex haben», sagt er in einem Video. Homosexualität sei ein Dämon. Die Aufgabe der Christen sei es, diesen Geist zu verjagen.
Die «Rundschau» konfrontiert ihn: Warum redet er so über schwule Menschen? «Ich liebe homosexuelle Menschen, doch ich lehne den Geist der Homosexualität ab», sagt Wittwer.
Sektenexperte Georg Otto Schmid ist alarmiert: «Miro Wittwer ist eine der problematischsten Figuren im freikirchlichen Christentum.» Schmid beobachtet Wittwer schon länger. Früher habe der heutige Christ-Influencer als Selbstfindungscoach und Hypnosetherapeut gearbeitet. Radikalisiert habe er sich in den USA.
Die Szene wächst
In den USA wirken konservative Christfluencer schon seit mehreren Jahren. Bekanntestes Beispiel ist der im September ermordete Charlie Kirk. Auch in der Schweiz wächst die Szene.
Christfluencerin Aurora kommt aus dem Aargau: «Es ist wichtig, dass man Jugendlichen auf Augenhöhe begegnet», sagt sie. Die 21-Jährige studiert Psychologie und Religionspädagogik und distanziert sich von homophoben Aussagen anderer Influencer: «Jesus liebt alle Menschen. So wie wir über andere urteilen, wird über uns geurteilt.» In ihrer Freikirche dürfen Homosexuelle zwar Gottesdienste besuchen, Mitglied werden dürfen sie allerdings nicht.
Die «Rundschau» begleitet Aurora nach Zürich zu einem Konzert der O'bros. Das sind zwei christliche Rapper aus Deutschland. Ihr Album erreichte Platz 1 in den deutschen Charts. Am Konzert feiern über tausend Menschen, vor allem Jugendliche mit freikirchlichem Hintergrund.
Sektengefahr
Sektenexperte Schmid sieht mehrere problematische Aspekte bei Christfluencern. Er betont: «Es ist schwierig, zwischen moderaten und radikalen christlichen Influencern zu unterscheiden.» Bei radikalen Influencern könne die Follower-Gemeinschaft sektenähnliche Züge annehmen.
Miro Wittwer verbreitet seinen Glauben nicht nur, sondern verdient auch Geld damit. Er zeigt anderen, wie das angeblich gehen soll, und führt zusammen mit seiner Frau Lucia ein eigenes Modelabel: «For Jesus».
Wittwer und seine Frau wollen in Zürich eine eigene christliche Gemeinschaft gründen. Schmid warnt: «Seine Biografie erinnert an jene anderer Sektenführer. Es kann schnell sehr problematisch werden.» Miro Wittwer entgegnet: «Wir sind keine Sekte. Bei Sekten gibt es immer eine Abhängigkeit vom Sektenführer. Wir zeigen immer auf Jesus.»