Das Parlament sei so zu organisieren, dass ein Parlamentarier höchstens ein Drittel der jährlichen Arbeitszeit für die Parlamentstätigkeit aufwenden müsse. Und: Die Parlamentsentschädigungen seien auf ein Drittel eines durchschnittlichen Schweizer Jahreslohns zusammenzustreichen. Diesen Vorstoss lancierte der SVP-Stratege Christoph Blocher kürzlich in der «Neuen Luzerner Zeitung». So würde ein Parlamentarier zu zwei Dritteln in seinem angestammten Beruf arbeiten und auch seine Berufskenntnisse ins Milizparlament einbringen. «Dann ist Schluss mit dem Berufspolitiker», liess sich Blocher in der «NLZ» zitieren.
Sowohl bei Politologen als auch bei den politischen Gegnern stösst dieses Projekt kaum auf Gegenliebe (siehe Box). Der Status Quo wird bevorzugt, obwohl man dem heutigen Milizsystem Reformbedarf sieht. «Grundsätzlich ist es nach wie vor ein Milizparlament», stellt zum Beispiel Marc Bühlmann vom Institut für Politikwissenschaft an der Uni Bern fest. «Niemand in Bern gibt als Beruf ‹Parlamentarier› an.»
Milizparlament: Ja, aber
Klassische Milizparlamentarier, welche einem Beruf nachgehen und die parlamentarische Arbeit nebenberuflich ausüben, sind die Personen in Bundesbern aber auch wieder nicht. Die Tätigkeit in Bern sei vermehrt zu einer Teilzeitbeschäftigung geworden, erklärt Thomas Widmer von der Universität Zürich. Die Erhebungen, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen seines Teams von 2014 (Seite 18, Abbildung 7) hätten ergeben, dass knapp die Hälfte der Parlamentarier zwischen einem und zwei Drittel eines Vollpensums für die Arbeit im Bundeshaus einsetzen. Auch knapp die andere Hälfte der Abgeordneten arbeitet zu einem grösseren Pensum für Bundesbern. «Das gilt jedoch nur für das Bundesparlament.» In den Kantonsparlamenten sei das anders. Die Werte hätten sich somit verschoben, erklärt Politologe Bühlmann. Die parlamentarische Arbeit wird mehr und mehr zur hauptzeitlichen Aufgabe.
Die Vorteile eines Milizsystems liegen auf der Hand. Die politische Elite gilt als stärker in der Gesellschaft verankert, so Bühlmann. Ein Milizsystem gelte entsprechend als bürgernaher.
Parlamentarier-Job nur für Reiche?
Kritiker des Vorstosses von Christoph Blocher argumentieren unter anderem damit, dass bei einer Kürzung der Parlamentsentschädigungen sich nur Reiche einen Parlamentsposten leisten können. Tatsache sei, dass es bestimmte Ressourcen brauche, um überhaupt politisch aktiv zu sein, sagt Bühlmann. Um Parlamentarier zu werden brauche es Zeit, Geld und ein gewisses Bildungsniveau, erklärt der Berner Politologe. Ein Freiwilligenmandat müsse man sich leisten können.
Dass aber nur die finanzielle Lage für den Einstieg in die Politik ausschlaggebend sei, glaubt wiederum Widmer nicht. «Die obersten 10 Prozent werden sich nicht massenweise auf die Mandate stürzen.» Für Widmer ist klar, dass bei einer Diäten-Kürzung für die Parlamentarier andere Finanzgeber einspringen würden. Es würden etwa vermehrt Gewerkschaften und Verbände in die Bresche springen.
Parlamentsdienste müssen gestärkt werden
Auch Blochers Vorstellung, dass mit seiner Initiative mehr Berufserfahrung in die Geschäfte des Parlamentes einfliessen würde, ist laut Widmer eine Illusion. Wenn man sich die heutige Arbeitssituation ansähe, dann gebe es viele Arbeitgeber, welche eher Probleme hätten, ihre Arbeitnehmer für ein politisches Mandat freizustellen.
Will man das Milizparlament stärken, dann wäre mein Vorschlag, die Unterstützung der Parlamentarier zu fördern.
Und abschliessend meint Widmer: «Will man das Milizparlament stärken, dann wäre mein Vorschlag, die Unterstützung der Parlamentarier zu fördern.» Er spricht sich für Mitarbeiter für die Parlamentarier aus, welche die Politiker bei der Einarbeitung unterstützen und sie von Routineaufgaben entlasten könnten. Eine Festigung der Parlamentsdienste und der Fraktionssekretariate könnte gemäss Widmer auch helfen.
Standpunkte der Parteien
SVP | Das Milizparlament gibt es noch und es gilt dieses in unserem Staat zu stärken. Ein Milizparlamentarier bewegt sich unter seinesgleichen, was die Verwurzelung und Verbundenheit mit den Sorgen und Anliegen der Bürger zugutekommt. Die Erfahrungen aus dem Berufsalltag fliesst in die Arbeit ein. |
FDP | Die FDP steht klar hinter dem Milizparlament in seiner heutigen Form. Den Vorstoss von Christoph Blocher lehnen wir entschieden ab, da er das Milizsystem schwächen würde. |
BDP | Die BDP steht voll und ganz hinter dem Milizsystem und unser Parlament ist kein Auslaufmodell. Vielmehr ist es ein Garant für eine praxistaugliche und bürgernahe Politik. Mit einem Berufsparlament ginge die Praxis- und Bürgernähe immer mehr verloren und Eigeninteressen und der Mandatserhalt würden in den Vordergrund rücken. |
CVP | Wir sind schon heute eines der günstigsten Parlamente weltweit, wie Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (BL) erklärt. Das ist dem Milizparlament zu verdanken. Das Milizparlament bereichert die parlamentarische Arbeit, indem Parlamentarier verschiedenste Erfahrungen aus Beruf und anderen Mandaten einbringen können. Die CVP ist gegen ein Berufsparlament, auch wenn das Milizsystem verbesserungswürdig ist. |
GLP | Äusserte sich bis zur Publikation nicht |
Grüne | Äusserte sich bis zur Publikation nicht |
SP | Das Milizparlament ist ein Mythos, und zwar schon seit Jahrzehnten. Wer sein Parlamentsmandat seriös ausüben und etwas bewirken will, muss mehr als 30 Prozent seiner Arbeitszeit dafür einsetzen. Mehr Professionalität wäre tatsächlich wünschenswert. Es braucht mehr Unterstützung für jene Parlamentarier, die nicht einen grossen Wirtschaftsverband oder eine finanzstarke Lobby im Rücken haben. |