In der Herbstsession kommt die Altersvorsorge-Reform 2020 in den Nationalrat. Seine Sozialkommission hat gestern vorgelegt, welche Änderungen an den Reformplänen die Parlamentarier behandeln sollen. Brisant ist vor allem die schrittweise Erhöhung des Rentenalters auf 67. Linke und Gewerkschaften sprechen bereits von einem «Rentenmassaker».
Die Rhetorik liefert einen Vorgeschmack, was die Bürger in einem Abstimmungskampf zur Jahrhundertreform erwarten könnte. Doch welche Chancen hätten die Vorschläge der nationalrätlichen Kommission überhaupt an der Urne? Einschätzung von Silja Häusermann, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Zürich.
Expertin Häusermann zu den Chancen der AHV-Reform
Automatische Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre |
Eine schrittweise Erhöhung würde die Reform in einer Volksabstimmung ungefähr 12-13 Prozentpunkte an Zustimmung kosten. Selbst bei bürgerlichen Wählern ist das Rentenalter 67 unpopulär. Gegen das Rentenalter 67 sind auch die meisten der Leute, die gar nicht mehr davon betroffen wären. Nämlich die bereits Pensionierten und die Über-45-Jährigen. |
Anpassung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre |
Gewerkschaften und Linke haben sich anfangs sehr stark dagegen ausgesprochen. Aber selbst ihre eigene Wählerschaft steht diesem Vorschlag nicht besonders negativ gegenüber. |
Kürzungen der Witwenrenten |
Für mich ist rätselhaft, warum die bürgerliche Mehrheit in der nationalrätlichen Sozialkommission darauf beharrt. Das Reformelement ist in der Bevölkerung enorm unpopulär. Es kostet die Reform viel an Zustimmung, ohne dass es massive Spareffekte bringen würde. |
Fazit: Bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern kommt das Rentenalter 67 schlecht an, selbst wenn es schrittweise eingeführt wird. Das Frauenrentenalter von 65 dürfte dagegen kein Problem sein. Auch Bundesrat und Ständerat haben sich bereits dafür ausgesprochen. Anders sieht es bei den vorgeschlagenen Kürzungen der Witwenrenten aus: Sie gefährden die Reform akut.
Das letzte Wort in der AHV-Revision ist noch nicht gesprochen. Im Seilziehen zwischen National- und Ständerat muss ein Kompromiss gefunden werden. Eines scheint klar: Die Vorschläge der Nationalratskommission sind 1:1 nicht mehrheitsfähig.