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Schweiz Sozialhilfe – Auffangbecken in der Not oder Hängematte?

Zu faul: Immer wieder geraten Sozialhilfebezüger in negative Schlagzeilen. Zu unrecht, findet Expertin Renate Salzgeber.

«Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.» So garantiert die Bundesverfassung jedem in der Schweiz sich aufhaltenden Menschen einen Anspruch auf Hilfe in Notlagen.

In wiederkehrender Regelmässigkeit geraten Fürsorge und Bezüger jedoch in die Schlagzeilen. Zu nachgiebig, ja gar lasch würden Sozialhilfebeziehende behandelt. Unangemessen hoch seien die Beträge, so der Vorwurf. Der CLUB fragt bei der Ökonomin und Sozialhilfe-Expertin Renate Salzgeber nach.

Zur Person

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Renate Salzgeber ist Volkswirtschafterin und Dozentin am Fachbereich Soziale Arbeit der Berner Fachhochschule. Seit 20 Jahren befasst sie sich mit Daten und Fakten rund um die Sozialhilfe. Prof. Salzgeber ist seit 2005 Verfasserin des Berichtes «Kennzahlenvergleich zur Sozialhilfe in Schweizer Städten», welcher jährlich erscheint.

Sie befassen sich intensiv mit der Sozialhilfe. Sie sind Verfasserin des kürzlich erschienenen Berichtes «Kennzahlenvergleich zur Sozialhilfe in Schweizer Städten». Welches sind die grössten Mythen, die Sozialhilfebeziehenden anhaften?

Renate Salzgeber: Ein Mythos der sich hartnäckig hält: «Viele richten sich in der Fürsorge ein und beziehen ewig Sozialhilfe.» Hier zeigt die Statistik ein anderes Bild. Drei Viertel aller Sozialhilfebeziehender sind spätestens nach drei Jahren raus. Ebenso wenig sind Sozialhilfebeziehende per se arbeitsunwillig. Gerade im Niedriglohnbereich reicht das Einkommen oft trotz grossem Einsatz nicht. Grundsätzlich wollen die meisten Menschen arbeiten, denn ein Job bedeutet nicht nur Lohn sondern auch Teilnahme am sozialen Leben.

Wer ist besonders gefährdet, in die Sozialhilfe abzurutschen?

Wir leben in einer Wissensgesellschaft – Personen mit wenig oder keiner Ausbildung haben schlechte Karten. Zudem gefährdet sind Alleinerziehende oder sehr kinderreiche Familien. Auch zur Risikogruppe zählen ungelernte, alleinstehende Männer ab 50, vor allem wenn sie noch gesundheitlich angeschlagen sind.

Jedes Mal wenn ein Fall eines sogenannten Sozialhilfe-Betrügers durch die Medien geistert, wird sofort der Ruf nach mehr Repression laut. Was bringt die oft geforderte harte Hand bei Sozialhilfebeziehenden wirklich?

Kommen Betroffene trotz aller Bemühungen nirgends unter, bringen Repressionen gar nichts. Man darf nicht vergessen, dass sich unsere Arbeitswelt massiv verändert hat. Bestimmte Berufe wie z. B. Drucker oder Schriftsetzer existieren nicht mehr und die Zahl der Jobs mit geringen Qualifikationsanforderungen ist deutlich geschrumpft. Es geht darum, Perspektiven zu entwickeln, zu motivieren und Verbindlichkeit zu schaffen. Das ist aufwändig aber bringt am ehesten Erfolg.

Die Sozialhilfe ist gesamtschweizerisch nicht einheitlich geregelt. Würden sie eine nationale Angleichung der Gesetze begrüssen?

Durchaus! Ich bin sicher, dass ein eidgenössisches Rahmengesetz sinnvoll wäre. Die Sozialhilfe ist das Stiefkind und geht leider fast immer vergessen, wenn an den Sozialversicherungen wie ALV oder IV geschraubt wird. Fakt bleibt leider: Ein Viertel der Betroffenen bleibt länger in der Sozialhilfe. Diese Institution übernimmt für diese Personen langfristig die Existenzsicherung und dazu muss unsere Gesellschaft stehen.

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