Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Vor der Wintersaison Grindelwald-Tourismus: «Murren und profitieren geht nicht»

Massentourismus: Grindelwald will vorerst keine neuen Hotels. Wie ist die Stimmung im Bergdorf? Ein Augenschein.

Immer mehr Menschen drängen sich aus dem Zug: Beim Bahnhof Grindelwald ist viel los an diesem Wintermorgen – obwohl die Wintersaison erst gerade begonnen hat. «Schön ist es hier», sagt eine Koreanerin, «die Leute wirken alle so freundlich und es ist viel ruhiger als in meiner Heimatstadt Seoul».

Strasse und Bahnhof
Legende: Noch hat die Wintersaison nicht richtig begonnen – in Grindelwald sind trotzdem viele Touristinnen und Touristen unterwegs. SRF/Thomas Pressmann

Ruhig – diese Beschreibung passt kaum noch zur Dorfstrasse in Grindelwald. «Es ist viel hektischer geworden als früher», sagt die Verkäuferin eines Souvenirgeschäfts; ihren Namen möchte sie lieber nicht nennen. «Gerade im Sommer sieht es hier aus wie beim Times Square in New York.» Doch beschweren will sie sich nicht. «Man kann nicht murren und gleichzeitig von den Touristen profitieren.»

Visualisierung eines Hotels.
Legende: Dieses Hotelprojekt in Grindelwald Grund wird vorerst auf Eis gelegt. Visualisierung: BAULINK AG

Trotzdem: In Grindelwald geben die vielen Touristinnen und Touristen zu reden. Kürzlich etwa wurde bekannt, dass ein Hotelprojekt mit rund 200 Betten nicht realisiert wird. Die Investoren haben ihre Pläne zurückgezogen, nachdem die Gemeindebehörde signalisiert hatte, dass sie das Vorhaben nicht unterstützt.

Die bestehende Infrastruktur kommt immer wieder an ihre Grenzen.
Autor: Beat Bucher Gemeindepräsident

«Wir müssen die Balance zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Lebensqualität für Einheimische wahren», sagt Gemeindepräsident Beat Bucher. «Die bestehende Infrastruktur kommt immer wieder an ihre Grenzen.»

Gemeindepräsident Beat Bucher lächelnd.
Legende: Gemeindepräsident Beat Bucher freut sich über positive Reaktionen auf das Vorgehen der Gemeinde. SRF/Thomas Pressmann

Die Bedenken in Grindelwald: Noch mehr Gäste, die Strassen, Wasserversorgung und Abfallmanagement belasten. Der Tenor in der Bevölkerung sei eindeutig, so der Gemeindepräsident: Mehr Tourismus soll es vorerst nicht geben. Die Rückmeldungen auf das Vorgehen der Gemeinde seien gut, so der Gemeindepräsident. «Gerade aus dem Unterland erhielt ich viele Gratulationen.»

Der Tourismus kann noch wachsen – es braucht aber Anpassungen.
Autor: Christian Bigler Bäcker in Grindelwald

Christian Bigler betreibt in Grindelwald eine Bäckerei. Anders als der Gemeindepräsident, der einen Stopp für neue Hotelprojekte fordert, plädiert Bigler für weiteres, moderates Wachstum. «Wenn der Ofen voll ist, musst du halt schauen, dass du die Produktion anpasst und nicht einfach sagst, ich will keine Kunden mehr», erklärt er.

Porträt
Legende: Christian Bigler weiss, dass Grindelwald stark vom Tourismus abhängig ist. SRF/Thomas Pressmann

Allerdings sieht auch Bigler Handlungsbedarf bei der Infrastruktur, insbesondere beim Verkehr. Er fordert unter anderem ein besseres Parkplatzmanagement. Trotz gelegentlicher Probleme betont Bigler die Bedeutung des Tourismus für Grindelwald: «Grindelwald ist darauf angewiesen.»

Zwischen Chance und Stress

Auch der vor zwei Jahren zugezogene Hotel-HR-Berater Aaron weist auf die grosse Bedeutung des Tourismus hin. Der gebürtige Zürcher möchte seinen Nachnamen nicht nennen. Er räumt ein, dass das Dorf im Sommer an seine Grenzen stosse, insbesondere was die Infrastruktur und Parkplätze betreffe.

Porträt
Legende: Hotel-Mitarbeiter Aaron schätzt das Leben in Grindelwald. SRF/Thomas Pressmann

Dennoch überwiegen für ihn die Vorteile: «Für Hotels und viele Geschäfte im Dorf ist es gut.» Er sieht den Tourismus als Chance und plädiert dafür, «weiterzumachen».

Asiatische Touristinnen und Touristen auf dem Jungfraujoch.
Legende: Die Berge locken: Ob Winter oder Sommer – das Bergdorf Grindelwald lockt die Massen an. Keystone/Christian Beutler

An diesem verschneiten Wintertag kommen die Schülerinnen und Schüler am Mittag von der Schule nach Hause, darunter die 15-jährige Leonie. «Manchmal ist es störend, wenn es viele Leute hat.»

Ich bin interessant für die Touristen – vor allem wegen meiner blonden Haare.
Autor: Leonie Schülerin

Im Sommer wurde sie auf der belebten Dorfstrasse von einem Auto angefahren. Besonders unangenehm empfindet sie, wenn Touristen, ohne zu fragen, Fotos machen. «Ich bin interessant für sie – vor allem wegen meiner blonden Haare.»

Porträt
Legende: Die 15-jährige Schülerin Leonie hat auch schon negative Erfahrungen gemacht. SRF/Thomas Pressmann

Während die Diskussion um die Zukunft des Tourismus weitergeht, bleibt Grindelwald vorerst ein Magnet für Besucher aus aller Welt – mit allen Vor- und Nachteilen.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 9.12.2025, 06:31 Uhr; gygm;noes

Meistgelesene Artikel