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Schweiz Wolfsfreundin trifft Wolfshasser

Für Bergbauern ist er der Tod auf vier Pfoten, dem man den Garaus machen muss. Städter hegen hingegen durchaus Sympathien für den Wolf. Was passiert nun, wenn eine städtische Wolfsfreundin Bergbauern unter die Arme greift? Die Schweizerische Hirtenhilfe ermöglicht solche Begegnungen. Eine Reportage.

Der Handy-Klingelton des Schafhirten Giacomo Caminelli auf einer Tessiner Alp ist Programm: Wolfsgeheul ertönt, wenn ihn jemand anruft. An den Wolf denkt man auch, als Caminelli abnimmt. Jemand hat ein Schaf erspäht – es war ganz allein, verloren am steilen Hang hoch über Airolo. War es ein Frass für Wölfe?

Caminellis Frau Franziska macht sich auf die Suche, neben ihr klettert Elke Rometsch ins leicht verbeulte Auto. Sie ist Biologin und wohnt seit 20 Jahren in Winterthur. Sie trägt jene teuren Kleider, die Städter kaufen, wenn sie für ein paar Tage in die Berge fahren. Rometsch hilft den Caminellis für eine Woche, auch bei der Suche nach Schafen. Vermittelt hat sie die Organisation Hirtenhilfe. Elke Rometsch liebt die Berge – und sie mag Wölfe. «Ich finde es immer schade, wenn solche Tiere einfach abgeschossen werden.»

Audio
Wolfliebhaber auf der Alp
aus Echo der Zeit vom 27.08.2016.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 4 Sekunden.

Nur noch Schaffleisch aus Neuseeland?

Auf einem steinigen Wanderweg hält Franziska Caminelli schliesslich an. Beim kleinen See, der glänzt wie flüssiger Stahl, ist ein grosses Tier. Es handelt sich allerdings nicht um einen Wolf, sondern um einen Hund. Dieser rennt weiter. Weit und breit ist kein Besitzer in Sicht, der ihn bändigen könnte. Auch Hunde verletzen Schafe und töten Lämmer. Sie machen Franziska Caminelli fast so wütend wie ihre wilden Verwandten. Wenn es mit dem Wolf so weitergehe, sagt sie, halte bald niemand mehr Schafe in der Schweiz. «Dann können die Neuseeländer uns Schafe liefern zum Essen.»

Bei den Caminellis hat der Wolf viele Dramen geliefert, sieben schlechte Jahre nacheinander. Elf tote und zwanzig verletzte Schafe waren es im blutigsten Sommer. Und jetzt: keine Spur vom verlorenen Schaf. Also zurück zur Hütte auf der Alp Cavanna. Es ist eine Bergwelt, wie Kinder sie malen. Drinnen der grosse Kamin, draussen der schäumende Bergfluss. Esel grasen sich durch den Feierabend. Am Morgen haben sie Salz geschleppt zu den 1200 Schafen oben am Hang. Hunde reichen Pfoten zum Gruss. Hinter dem Zaun die «Spital»-Weide: Ein paar Schafe lugen hervor. Sie sind verletzt und humpeln mit Gipsbeinen.

Trauer um die toten Schafe

Viel Pflege sei angesagt, wenn der Wolf die Herde heimsuche – und Trauer, erzählt Giacomo Caminelli. Gewisse Tiere müsse man wochenlang behandeln. Für die getöteten Schafe erhalte man zwar eine Entschädigung. «Eine Befriedigung ist das nicht. Schliesslich hat man die Schafe gut gekannt und dann kommen sie auf eine solch brutale Art um.»

Schäfer wurde er vor langer Zeit in Bergamo. Seit 35 Jahren zieht er mit seinen Herden durch die Schweiz. Sein Haar ist dicht und weiss, eines Schafhirten würdig. Bloss: Weiss geworden sei es vor lauter Sorgen. Mit zehn Wölfen könnte die Schweiz noch umgehen, sagt Caminelli. «Wenn sie nun aber auf 30 oder mehr anwachsen...»

Wolsfreundin Elke Rometsch bleibt unbeirrt: «Ich sehe, dass ich wolfsfreundlicher bin als sie. Aber ich habe halt auch deren Probleme nicht.» Warum aber ist sie dann dieses Jahr schon zum dritten Mal mit Schafhirten auf der Alp? Warum macht sie das Thema «Wolf» immer wieder zu ihrem eigenen, obwohl es doch reichlich weit hergeholt ist für Mittelländler wie sie? Ganz einfach, das sei ihre Pflicht. Sie wolle so die Probleme etwas abmildern.

Sterilisieren, kastrieren, abschiessen

Da ist sie nicht die einzige: Abmildern sollen die Probleme, die der Wolf schafft, auch Hunde, die die Schafe beschützen. Allerdings: Hunde, die Schafe gut gegen den Wolf verteidigen, gehen oft auch mit besonderer Inbrunst auf Menschen los. «Nachher gibt es wieder ein Theater, und die Leute vom Kanton kommen.»

Es gibt aber auch Hunde, die beides können: Wölfe in Unruhe versetzen und Menschen in Ruhe lassen. Dieses Jahr haben die Caminellis zwei solche Hunde. Und siehe da: Bis jetzt gab es keinerlei Probleme, weder mit Wölfen noch mit Wanderern. Bis jetzt. Doch was ist, wenn der Wolf das verlorene Schaf getötet hat?

Dann wäre das ein weiterer Beweis dafür, dass es zu viele Wölfe gibt im Land, finden die Caminellis. Sterilisieren und kastrieren sollte man die aggressivsten Tiere, manche davon auch abschiessen, und so Stück für Stück weniger und bravere Wölfe heranzüchten. Selbst die Wolfsfreundin aus der Stadt findet das keine schlechte Idee. «Wahrscheinlich ist es der einzige Weg.»

Und wieder klingelt das Handy...

Einmütig machen sich Elke Rometsch und Giacomo Caminelli jetzt auf den Weg. Sie gehen zur Herde, wollen Zäune bauen und Netze spannen, damit nicht noch mehr Schafe abhanden kommen. Es ist harte Arbeit. «Wenn es darum geht, Pfosten reinzuhauen, muss das der Bauer machen», sagt Rometsch. Aber die Netze drapieren oder Steine schleppen könne sie durchaus.

Mehr als 1000 Augenpaare auf hellem Fell richten sich derweil auf die Ankömmlinge, eines davon gehört zu einem riesengrossen Hund. Wieder klingelt Giacomo Caminellis Handy: Im Bedretto-Tal hat jemand ein einzelnes Schaf gefunden.

Problem mit Wanderern und Bikern

Hunde, die in den Alpen Schafherden beschützen, greifen oft Wanderer und Mountainbiker an. Schilder warnen vor ihnen. Für Mountainbiker gilt: Absteigen, wenn man ein solches Schild sieht. Und allgemein: Reagiert der Hund aggressiv, sollte man sich unterwürfig benehmen, ihn also zum Beispiel nicht anschauen, ruhig bleiben. Und nicht weglaufen.

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