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Wirtschaft Grosse volkswirtschaftliche Schäden wegen Burnouts

Diagnose Burnout: Immer mehr Menschen sind am Arbeitsplatz überfordert und fallen aus. Das ist schlimm für die Betroffenen, die oft nur langsam in den Arbeitsprozess zurückfinden. Zudem entstehen der Volkswirtschaft insgesamt hohe Kosten.

Eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) hat gezeigt: Rund anderthalb Millionen Menschen fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz häufig gestresst. Innert zehn Jahren hat ihre Zahl um fast ein Drittel zugenommen.

Das kostet die Volkswirtschaft mehrere Milliarden Franken pro Jahr. Zum Beispiel, weil die Leistung von überlasteten Mitarbeitenden abnimmt oder weil sie krankheitsbedingt ausfallen und sich eine längere Auszeit nehmen müssen.

Wie man dem vorbeugen könnte, weiss Ruth Enzler Denzler. Die Psychologin berät Unternehmen und Führungskräfte.

Ruth Enzler Denzler

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Die Psychologin Ruth Enzler Denzler ist Inhaberin der Firma Psylance in Zollikon. Sie bietet unter anderem Coachings für Personen und Unternehmen an. Ihre Spezialgebiete sind Stressmanagement und Burnout. Dazu hat sie verschiedene Bücher verfasst.

SRF News: Es gibt Leute, die sagen, ein Burnout gehöre heute einfach zu einer erfolgreichen Karriere. Ist da ein Kern Wahrheit dabei?

Ruth Enzler Denzler: Das ist zynisch. Burnout ist kein gesellschaftliches Zeit-Phänomen. Für Personen mit einem Burnout ist das bitterer Ernst.

Im heutigen Arbeitsalltag muss alles viel schneller gehen. Wir müssen lernen, mit diesem Tempo und den vielen Informationen umzugehen. Das haben viele Leute noch nicht im Griff. Sie sind dann erschöpft. Burnout ist ein Prozess. Man kann am Morgen nicht mehr aufstehen. Man fühlt sich immer müde, kann sich aber nicht mehr richtig erholen, kann nicht schlafen. Das Leistungsvermögen nimmt ab. Man ist zynisch eingestellt gegenüber der Arbeit.

Ist ein Burnout vor allem eine Büro-Krankheit?

Nein, Stresssituationen gibt es überall, in jeder Branche. Vielleicht wird in einigen Branchen mehr darüber geredet als in anderen. Das heisst aber nicht, dass es dort keine Burnouts gibt.

Welches sind die wichtigsten Auslöser solcher Erschöpfungszustände?

Generell kann man sagen: Man hat einen überhöhten Anspruch an sich selber – etwa auf der sozialen Ebene. Man will es besser machen als die Andern, besser auf die Mitarbeitenden eingehen, deren Sorgen tragen – bis man selber überfordert ist.

Dann gibt es Leute, die sagen: Ich mache immer alles perfekt. Die haben einen überhöhten Leistungsanspruch und können sich auf dieser Ebene überfordern. Schliesslich gibt es solche Leute, die immer stark sein und um jeden Preis ihre Position, ihren Status halten wollen. Die Betroffenen selber realisieren dies meist nicht. Das Umfeld merkt aber, dass sie nervöser sind, gereizter und sich an ihrer Persönlichkeit etwas ändert.

Gibt es eigentlich «guten» und «schlechten» Stress?

Der Körper unterscheidet nicht. Es ist allein eine Frage der Dauer. Man kann zwar sagen, dass man Stress mag. Aber über längere Zeit nimmt der Körper Schaden.

Man muss nicht immer und überall Liebkind sein, man muss lernen, Konflikte auszuhalten.

Wo setzen Sie an, wenn jemand mit einem sich abzeichnenden Burnout zu Ihnen kommt?

Ich setze bei den inneren Ansprüchen an und frage: Was sind die Treiber, was ist die Motivation, weshalb jemand Leistung erbringt und wo könnte die Person sich da überfordern? So kann man beispielsweise an der Fehler-Toleranz einer Person arbeiten. Sie dazu bringen, freundlicher gegenüber sich selber zu sein und sagen zu können: Ich bin immer noch o.k., auch wenn ich Fehler mache. Oder man muss lernen sich abzugrenzen. Man muss nicht immer und überall Liebkind sein, man muss lernen, Konflikte auszuhalten. So arbeite ich an den inneren Haltungen der Menschen, die zu mir kommen.

Audio
Burnout
aus Trend vom 28.04.2016.
abspielen. Laufzeit 11 Minuten.

Welche Rolle spielt das Arbeitsumfeld, das Unternehmen?

Das spielt eine grosse Rolle. Wenn die Werte oder die Kultur eines Unternehmens nicht mehr zur Person passen, kann es zu Konflikten kommen. Jemand, der viele Freiheiten braucht, der Projekte vorantreibt, fühlt sich auf Dauer nicht wohl in einem streng hierarchisch organisierten Unternehmen.

Wo stehen die Schweizer Firmen denn mit Blick auf Burnout-Prävention? Wird das Thema Arbeitsbelastung genügend thematisiert?

Da gibt es enorm grosse Unterschiede. Es gibt Firmen, die sich wirklich bemühen, die Vorgesetzte haben, die sich tatsächlich für das Wohl der Arbeitnehmer interessieren, Coachings anbieten und das auch bezahlen. Dann gibt es aber nach wie auch Firmen, in denen das Wort Burnout tabu ist. Deren Angestellte kommen dann in Randzeiten zu mir, bezahlen die Beratung selber und dürfen im Unternehmen nichts sagen.

Ist das abhängig von der Branche? Oder von der Grösse eines Unternehmens?

Es gibt Branchen, die mehr tun als andere. Und grössere Unternehmen haben mehr Geld, um Hilfe anzubieten. Es kommt in erster Linie aber auf die Kultur eines Unternehmens an.

Das Gespräch führte Eveline Kobler.

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