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Pharma: Ungültige Patente ohne Nutzen
Aus ECO vom 08.05.2017.
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Klagen gegen Patente Kanada, der Schrecken der Pharma-Konzerne

Die kanadische Regierung hat vor einem Schiedsgericht einen wegweisenden Prozess gewonnen.

  • Zwischen 70 und 80 Prozent ihres Umsatzes erzielt die Pharma-Industrie mit patentgeschützten Medikamenten.
  • Längst nicht alle Patente haben eine Berechtigung: Kanada hat 50 Pharma-Patente aufgehoben, weil die Erfindungen entweder banal waren oder die Versprechen nicht halten konnten – auch die Schweizer Konzerne Roche und Novartis sind betroffen.
  • Der neuste Fall richtet sich an den US-Pharma-Konzern Eli Lilly: Kanadische Gerichte haben zwei Patente für nichtig erklärt – und eine Klage von Eli Lilly abgewiesen.

Weltweit erzielt die Pharma-Industrie einen Umsatz von rund 1000 Milliarden US-Dollar. Am meisten nimmt sie mit patentgeschützten Medikamenten ein: Zwischen 700 und 800 Milliarden US-Dollar. Um Patentschutz zu erhalten, muss ein Pharma-Produkt drei Bedingungen erfüllen: Es muss neu sein, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und kommerzialisierbar sein.

Doch in Kanada ist es schwieriger geworden, Pharma-Patente aufrechtzuerhalten. In den letzten Jahren haben Gerichte auf Einspruch hin rund 50 Mal Pharma-Patente aufgehoben. Grund: Die Erfindungen waren zu banal oder haben die Versprechen der Konzerne nicht erfüllt.

Betroffen waren unter anderem auch die Schweizer Pharmakonzerne Roche mit einem Aids-Medikament und Novartis mit einem Krebsmittel. Hintergrund ist eine strengere Rechtsprechung der kanadischen Gerichte im Vergleich zu europäischen oder US-Gerichten.

Aberkannte Patente von Schweizer Firmen (Kanada)

Medikament
Einsatzgebiet
Grund der Aberkennung
Aberkennung
Travatan (Novartis)Grüner Star
Keine Neuentwicklung2014
Zometa/Aclasta (Novartis)KnochenkrebsVersprechen nicht eingehalten
2013
Valcyte (Roche)
AidsKeine Neuentwicklung
2013
Patanol (Novartis)Allergie (Augen)
Keine Neuentwicklung2012
Quelle: Kanadisches Patentamt


Auch dem amerikanischen Pharmakonzern Eli Lilly haben kanadische Gerichte zwei Patente aberkannt. Eli Lilly klagte vor einem Investitionsschiedsgericht dagegen und forderte 500 Millionen kanadische Dollar Entschädigung (360 Millionen Franken). Doch mit dem Entscheid vom 16. März 2017 wies das Schiedsgericht die Klage ab und entschied zu Gunsten Kanadas.

Das heisst: Die Medikamente haben in Kanada den Patentschutz verloren und können für diesen Markt nun von anderen Herstellern kopiert werden.

Bestehendes Wissen neu verpacken
Autor: Tahir AminUS-amerikanische NGO I-MAK

Während der Schweizer Branchenverband Interpharma namens der Pharma-Konzerne die kanadische Praxis als «innovationsfeindlich» bezeichnet und darauf hinweist, dass Kanada unter den Industrienationen ein Einzelfall sei, freuen sich NGOs über den Entscheid.

Tahir Amin
Legende: Tahir Amin von der NGO I-MAK begrüsst den Entscheid aus Kanada. SRF

Eine dieser NGOs ist die amerikanische «Initiative for Medicines, Knowledge and Access» (I-MAK). I-MAK-Co-Gründer Tahir Amin war früher Patentanwalt, heute geht er weltweit juristisch gegen Pharma-Patente vor: «Kanada ist ein gutes Beispiel, wie das Patentsystem funktionieren sollte», sagt er. «Selbst in den USA würden viele dieser Patente fallen, wenn sie angegriffen würden. Das Problem ist: Nicht jeder kann sich Prozesse leisten.»

Generell, sagt Tahir Amin, würden Pharma-Patente zu schnell erteilt. «Wenn Sie einfach bekanntes, bestehendes Wissen neu verpacken und dann das Rechtssystem und juristische Mittel benutzen, um ein Patent zu erzwingen, dann ist das ein Problem.» In der Tat würden oft bestehende Medikamente einfach leicht verändert, ohne Zusatznutzen, nur um den Patentschutz zu verlängern.

Wir haben in der Regel sehr starke Patente
Autor: Sara KächInterpharma

Dabei helfe den Pharma-Konzernen das System, so Tahir Amin. Während diese umfangreiche Patenteinträge einreichen würden, seien die Patentämter überfordert: «Leider haben Patentprüfer nur wenige Stunden, um diese Anträge zu prüfen. Pharma-Konzerne und ihre Anwälte reichen ständig und immer wieder veränderte Anträge ein. Sie versuchen, die Patentämter richtiggehend zu überschwemmen.»

Sara Käch
Legende: Sara Käch vom Branchenverband Interpharma bestreitet den Druck auf Patentämter. SRF

Interpharma bestreitet das: «Wir investieren sehr viel in Forschung und Entwicklung. Die Anträge müssen sehr wohl gut begründet sein, und wir haben in der Regel sehr starke Patente.» Gäbe es keine Patente, gäbe es keine Innovationen, gäbe es keine neuen Medikamente gegen viele Krankheiten, sagt Sara Käch, Kommunikationsleiterin von Interpharma.

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