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Wirtschaft Schier grenzenlose Mobilität: Kritik an SBB-Strategie wird laut

Über 5000 Kilometer Schienen ziehen sich durch die Schweiz, 1,2 Millionen Passagiere pro Tag waren letztes Jahr im Zug unterwegs. Mehr Passagiere heisst aber auch mehr Lärm, mehr Energieverbrauch, mehr Umweltbelastung.

Grossbaustelle vor dem SBB-Hauptsitz in Bern-Wankdorf: Neben neuen Perronanlagen baut die SBB auch einen Tunnel, damit die Züge künftig kreuzungsfrei in den Bahnhof Bern einfahren können. Und das ist nur eine von vielen Stellen im Netz, an denen die Bahn baut.

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Die SBB und die Grenzen der Mobilität
aus Echo der Zeit vom 18.03.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 50 Sekunden.

SBB-Chef Andreas Meyer sagt: «Wir machen in der Schweiz halt wirklich alles möglich. Léman 2030, die ganze Nord-Süd-Achse ist im Umbau, wir haben immer mehr Unterhaltsarbeiten, und wir tun alles, um dem Kunden die Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.»

Die Rechnung geht auf – zumindest im Personenverkehr. Mehr Passagiere, mehr Gewinn, freut sich Meyer. «Im 2015 haben wir uns in einem anspruchsvoller werdenden Umfeld ganz gut behauptet.» Was rein betriebswirtschaftlich aus Sicht der SBB Sinn ergibt, ist für die Schweiz als Ganzes aber nicht zwingend gut.

Kaum Verlagerung vom Auto auf die Schiene

Lärm, Luftverschmutzung, Zersiedelung – auch die Bahn verursacht so genannte externe Kosten, die sie nicht vollständig abgilt. Allerdings sind diese deutlich tiefer als beim Auto. Gesamtwirtschaftlich gesehen wäre es deshalb wichtig zu wissen, ob die SBB 2015 Leute zum Umsteigen vom Auto auf die Bahn bewegen konnte, so Raphael Fuhrer vom Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH.

Darüber sagen die Zahlen der SBB aber nichts aus. Die letzte entsprechende Erhebung des Bundesamtes für Statistik stammt aus dem Jahr 2010. Fuhrer hat sich die Entwicklung zwischen 2000 und 2010 angeschaut. «Man sieht, dass die Personenkilometer – die Distanz, die ein Durchschnittsschweizer zurücklegt – konstant geblieben sind, und dass das Wachstum auf der Schiene stattfand.»

Stagnation auf hohem Niveau beim Strassenverkehr, Wachstum bei der Bahn: Fuhrer vermutet, dass sich diese Entwicklung in den letzten Jahren fortgesetzt hat. Er stützt sich dabei auf die leicht sinkende Zahl von Frauen und Männern, die in der Schweiz einen Führerschein besitzen.

Wachstum der Mobilität auf Kosten der Umwelt

Für die Zukunft gehen alle Szenarien von einem weiteren Wachstum der Mobilität aus. Das stellt Caroline Beglinger, Geschäftsführerin des grundsätzlich bahnfreundlichen Verkehrsclubs der Schweiz VCS, fest: «Es ist natürlich sehr gut, wenn jemand umsteigt, also weniger das Auto und mehr den öffentlichen Verkehr benützt, insbesondere den Schienenverkehr.»

Jugendliche Pendler warten auf dem Perron, ein Zug fährt vorbei.
Legende: Für den VCS ist Auto- wie Bahnfahren zu billig. Er möchte die Nutzung übers Portemonnaie steuern. Keystone

Es gebe aber auch Leute, die zusätzliche Kilometer führen, so Beglinger. «Wir haben in den letzten Jahren auf allen Schweizer Verkehrsträgern ein massives Wachstum, und sicher wird sich einmal die Frage stellen, ob das ökologisch noch vertretbar ist.»

Der einzige Weg, die Mobilität nachhaltiger zu gestalten, führe über das Portemonnaie, meint Beglinger: «Autofahren müsste teurer werden, Bahnfahren müsste teurer werden, Flugreisen müssten sehr viel teurer werden. Da kann man sich schon vorstellen, dass das Verhalten beeinflusst. Also wenn es mehr kostet, mache ich es wahrscheinlich weniger häufig.»

Das glaubt auch Fuhrer. Die Bahn, die in den letzten Jahren kontinuierlich teurer geworden ist, sei schon viel näher dran, ihre Kosten effektiv zu decken, als der motorisierte Individualverkehr. Dieser ist unter anderem wegen des tiefen Ölpreises günstiger geworden. Kostenwahrheit sei aber nur das eine.

Nicht jedem Engpass im Netz sofort beheben

Fuhrer möchte noch einen Schritt weiter gehen. Er fordert einen eigentlichen Paradigmenwechsel, weg von der nachfrageorientierten Planung – wie sie SBB-Chef Meyer offen deklariert. «Wenn immer irgendwo ein Engpass auftritt, baut man aus. Wenn es zu viele Passagiere hat, macht man halt noch eine S-Bahn.»

Dabei sollte man sich vielleicht eine grundsätzliche Frage stellen: «Wie viel Mobilität möchten wir uns eigentlich zumuten als Gesellschaft, wie viel Geld möchten wir dafür aufwenden?» Das würde bedeuten, «von dort aus zu starten und quasi rückwärts zu planen», so Fuhrer. Dazu müsste die Politik den Auftrag an die SBB allerdings grundsätzlich ändern. Zurzeit ein kaum realistisches Szenario.

Übrigens unbestritten gut an den aktuellen SBB Geschäftszahlen – auch aus gesamtwirtschaftlicher und ökologischer Sicht – ist, dass die SBB 2015 ihre Auslastung verbessert, also mehr Passagiere pro Zug befördert hat.

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