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Wirtschaft Streit um Konzession für Kohlemine: Glencore verklagt Kolumbien

Die Schweiz hat mit rund 120 Staaten Abkommen, die es Konzernen erlauben, andere Staaten vor privaten Schiedsgerichten einzuklagen. Die Schweiz selber wurde bisher nicht verklagt. Sie sind umstritten und mit ein Grund, warum die Verhandlungen zwischen der EU und den USA ins Stocken geraten sind.

Glencore-Konzernjuristin Marie Roth
Legende: Glencore-Konzernjuristin Marie Roth: «Nun mussten wir eben eine Schiedsklage einreichen.» SRF

Der Zuger Handelskonzern Glencore hat Kolumbien vor einem privaten Schiedsgericht eingeklagt. Grund ist ein Streit um eine Konzession für eine Kohlemine. Konzernjuristin Marie Roth sagt zu «ECO»: «2010 haben wir mit der Regierung unseren Konzessionsvertrag für unsere Mine Calenturitas in Kolumbien anpassen wollen, weil wir die Mine expandieren wollten. Beide Seiten haben den Vertrag unterschrieben, und wir haben unsere Investitionen getätigt. Diese werden sich auf über eine Milliarde Dollar summieren.»

Doch jetzt versuche die Regierung den Vertrag einseitig für nichtig zu erklären. Glencore habe das Mediationsverfahren durchgemacht – ohne Lösung. «Und nun mussten wir eben eine Schiedsklage einreichen.»

Vor Glencore hatten bereits andere Schweizer Konzerne Staaten eingeklagt:

  • Ein Verfahren des Stromkonzerns Alpiq gegen Rumänien ist derzeit hängig.
  • Der Flughafen Zürich erhielt von einem Schiedsgericht 17 Millionen zugesprochen, nachdem ihr Flughafen in Venezuela verstaatlicht worden war. Venezuela ging gegen das Urteil in Berufung, im August findet die mündliche Verhandlung statt.
  • Ein Verfahren von Zementproduzent Holcim gegen Venezuela liegt derzeit auf Eis.
  • Schon drei Mal gegen einen Staat geklagt hat der Warenprüfkonzern SGS.

Weltweit steigt die Anzahl Verfahren

Die Verfahren finden häufig unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – obwohl die beklagte Partei ein Staat ist. Konzern und Staat können je einen Schiedsrichter ernennen, der dritte und vorsitzende Schiedsrichter ist neutral.

Weltweit hat die Anzahl solcher Schiedsverfahren kontinuierlich zugenommen. Am Schiedsgericht ICSID, das der Weltbank angehängt ist, haben Konzerne seit der Jahrtausendwende 480 Klagen gegen Staaten eingereicht. In den 25 Jahren zuvor waren es nur 64 Klagen.

Grundlage dieser Klagen sind Abkommen zwischen den Staaten. Diese erlauben es einem ausländischen Investor, einen Staat vor einem Schiedsgericht einzuklagen statt vor ein staatliches Gericht ziehen zu müssen. Historisch ging es für kapitalimportierende Länder darum, ausländisches Kapital anzuziehen. Und für Kapitalexportländer darum, ihre eigenen Bürger zu schützen, die im Ausland investieren.

Kritik an Philipp Morris

In der Kritik steht eine Klage des Tabakmultis Philipp Morris gegen Uruguay. Da Philipp Morris seinen Hauptsitz in Lausanne hat, basiert die Klage auf dem Investitionsabkommen zwischen der Schweiz und Uruguay. Grund für die Klage sind neue Anti-Raucher-Gesetze. Seither müssen in Uruguay die Warnungen vor dem Rauchen 80 Prozent der Fläche einer Schachtel abdecken. Für den Tabakmulti ist das eine «Enteignung des geistigen Eigentums»; man habe neue Logos entwickeln müssen, da die alten keinen Platz mehr gehabt hätten.

In Uruguay kommt die Klage schlecht an. «Ich glaube, Philip Morris hat Uruguay für diese Klage gewählt, weil es Pionier in der Politik der Tabakkontrolle ist», sagt Alberto Villarreal von der Nichtregierungsorganisation Redes – Amigos de la Tierra. «Zweitens, weil es ein kleines Land ist. Die Wirtschaft von Uruguay ist halb so gross wie die von Philip Morris.» Er bezeichnet die Schiedsgerichte als «Pseudotribunale».

Neutralität und Spezialisierung als Vorteile

Gabrielle Kaufmann-Kohler
Legende: Schiedsrichterin Gabrielle Kaufmann-Kohler: In 60 Prozent der Fälle gewinne der Staat, in 40 Prozent der Investor. SRF

Die Genfer Professorin Gabrielle Kaufmann-Kohler gilt als einflussreichste Schiedsrichterin im Bereich der Investorenklagen gegen Staaten. Sie hat in Dutzenden Fällen mitentschieden. «Die Statistiken und Studien zeigen, dass in ungefähr 60 Prozent der Staat gewinnt und in 40 Prozent der Investor», sagt sie. «Und wo der Investor gewinnt, erhält er im Durchschnitt ungefähr einen Drittel des beantragten Betrages.»

Hauptvorteile für diese Schiedsgerichtsbarkeit seien die Neutralität und die Spezialisierung. «Die Parteien können Schiedsrichter ernennen, die Fachkenntnisse haben zum Beispiel im Völkerrecht oder im Investitionsrecht.»

Auf die Frage, ob es gerecht sei, dass Investoren Staaten einklagen dürfen, sagt sie: «Das ist eine legitime Frage. Die Staaten haben das so beantwortet, dass sie bisher Ja gesagt haben.» Es gebe ungefähr 3000 Investitionsschutzabkommen weltweit, die meisten davon haben eine Schiedsgerichtsbarkeit vorgesehen.

Krista Nadakavukaren
Legende: Professorin Krista Nadakavukaren: Fall Philipp Morris gegen Uruguay werfe «schlechtes Licht» auf Streitschlichtung. SRF

Die meisten empirischen Studien hätten nicht viel Missbrauch aufgezeigt, sagt die Basler Rechtsprofessorin Krista Nadakavukaren. Allerdings könne es für einen Staat tatsächlich zum Problem werden, sich immer wieder in solchen Prozessen zu verteidigen. Der Fall Philipp Morris gegen Uruguay allerdings werfe ein «schlechtes Licht» auf den ganzen Streitschlichtungs-Mechanismus.

Bei den Verhandlungen zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen sind Schiedsgerichte ein heftig umstrittener Punkt. Die EU-Kommission schlägt für das europäisch-amerikanische Handelsabkommen vor, ein sogenanntes Investitionsgericht einzurichten. Doch der Deutsche Richterbund DRB etwa lehnt das ab, da er weder eine Rechtsgundlage noch eine Notwendigkeit für ein solches Gericht sehe. Im Februar schrieb der DRB: «Das mit dem Vorschlag für ein Internationales Investitionsgericht offensichtlich verbundene Verständnis, die Gerichte der Mitgliedstaaten der Union könnten ausländischen Investoren keinen effektiven Rechtsschutz gewähren, entbehrt sachlicher Feststellungen.»

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