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Torfböden: Anbau auf Kosten von Steuerzahlern und Natur
Aus Tagesschau vom 30.01.2017.
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Subventionierte Landwirtschaft Torfböden: Anbau auf Kosten von Steuerzahlern und Natur

1,7 Milliarden Franken müssten in etwas investiert werden, das volkswirtschaftlich und ökologisch fraglich ist.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Schweiz muss massiv in die Sanierung der Entwässerungssysteme für die Landwirtschaft investieren.
  • Die Bauern kämpfen dafür, denn es geht um ihre Anbauflächen.
  • Volkswirtschaftlich ist eine landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden fragwürdig.
  • Auch Umwelt- und Naturschützer schlagen Alarm und fordern einen Stopp.

Eine Fläche von 192'000 Hektar Landwirtschaftsland ist in der Schweiz entwässert, damit darauf Kartoffeln, Karotten und anderes gedeihen können. Das ist ein Fünftel der gesamten Anbaufläche.

Offenliegende Leitungen.
Legende: Drainage-Leitungen liegen offen: Sie führen das Wasser nicht mehr ausreichend ab oder gelangen gar in den Pflug. SRF

Diese Nutzbarmachung ist Jahrzehnte her. Inzwischen hat sich der Boden an vielen Stellen abgesenkt. Die Drainage-Systeme, über die das Wasser abfliesst, liegen nah an der Oberfläche. Im Berner Seeland etwa kommt es immer häufiger zu Überschwemmungen, weil das Entwässerungssystem nicht mehr funktioniert.

Der Bund schätzt, dass ein Drittel des gesamten Entwässerungssystems in schlechtem Zustand ist. Rund 1,7 Milliarden Franken wären in den kommenden 10 bis 15 Jahren notwendig zur Sanierung; Kosten, die in der Regel Bund und Kantone je zu einem Viertel tragen, die Gemeinde zu 20 Prozent und der Eigentümer zu 30 Prozent.

Gegen eine Sanierung gibt es sowohl volkswirtschaftliche als auch ökologische Argumente:

1. Die Bewirtschaftung rechnet sich nicht

Ökonom Felix Schläpfer rechnet am Beispiel der Linth-Ebene vor, wie viel die landwirtschaftliche Milchwirtschaft auf solchen Böden direkt und indirekt kostet: «Da sind zunächst die Drainage-Kosten. Das sind rund 1000 Franken pro Hektare. Weiter kommen die Kosten der Klimagase dazu, die entweichen. Wenn man auf solchen Moorböden produziert, entsteht CO2. Pro Hektar sind das 2000 Franken, bewertet zu den üblichen Preisen, wie man das auch beim Verkehr anwendet.»

Das ist nicht die ganze Rechnung: Zusätzlich fallen für Konsumenten wegen höherer Produktpreise Mehrkosten von 2000 Franken an, da Schweizer Produkte im Vergleich zu ausländischen teurer sind. Zuletzt muss der Steuerzahler 1000 Franken an Direktzahlungen leisten. Die gesamte Rechnung beträgt also 6000 Franken Kosten pro Hektare und Jahr – und damit das Doppelte einer Bewirtschaftung auf nicht-drainierten Böden.

2. Die Böden schaden Umwelt und Klima

Andere kritisieren die Moorboden-Nutzung aus ökologischen Gründen: «Meiner Meinung nach sollte man in vielen Fällen die Produktion stark zurückfahren», sagt Jens Leifeld von der eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz. Die Torfböden verursachten Unmengen an Treibhausgasen. In den verbleibenden Torfböden stecke noch so viel CO2, wie die gesamte Volkswirtschaft in zwei Jahren emittiere.

Für Naturschützer müssten die Böden in einigen Gebieten wieder an Flora und Fauna zurückgegeben werden. Bei Henggart im Zürcher Unterland hat man dies getan. Marcel Liner von Pro Natura stellt fest: «Man sieht es hier: Innerhalb kurzer Zeit hat sich dieser Boden vernässt. Es hat sich eine Vegetation gebildet, die standortgerecht ist, die viele Tiere anzieht. Es wimmelt vor Insekten, Libellen. Es gibt Vögel, die hier ihre Nahrung holen kommen. Es gibt Amphibien, die hier laichen; den Bergmolch etwa.»

Landwirtschaftsvertreter sehen das freilich anders. Sie wollen ihre Anbauflächen – und damit ihre Einnahmen – nicht verlieren. Peter Thomet, Präsident der Bauern- und Landbesitzer-Vereinigung Pro Agricultura Seeland, argumentiert mit der Ernährungssicherheit: Sie gehöre zur Souveränität eines Binnenlandes wie der Schweiz.

Die Kosten findet er relativ: «Ein Kampfjet kostet 100 Millionen. Wenn man hier (im Seeland) 200 Millionen investieren würde, sind das zwei Kampfjets.»

, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnenIllegale Aufschüttungen

Manche seiner Kollegen im Seeland handeln bereits in Eigenregie: Sie schütten ihre Äcker selbst wieder auf. Denn sie sehen ihre Einkünfte davonschwimmen – weil die Drainage-Systeme ihre Funktion oftmals nur noch ungenügend erfüllen, ertrinken ihre Kulturen.

Peter Thomet zeigt auf überschwemmten Acker.
Legende: Peter Thomet zeigt Verständnis für die Lage der Bauern. SRF

Das ist nicht legal. Raumplanungs-, Landwirtschafts- und Wasserwirtschaftsamt müssten zuvor kontaktiert werden, Bewilligungen eingeholt, bodenkundliche Begleitungen durchgeführt werden. Peter Thomet, der die Interessen der Seeländer Bauern vertritt, zeigt Verständnis: «Illegal ist hart gesagt.» Der Aufwand, die Bürokratie und die Kosten führten dazu, «dass man die Baubewilligung nicht einholt».

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