Es bestehe durchaus die Chance, dass das höchste Gericht in den USA dem Präsidenten einen Strich durch die Rechnung mache bei den Zöllen, sagt Barry Eichengreen. Der renommierte Ökonom und Wirtschaftshistoriker lehrt an der Universität Berkeley in Kalifornien.
«Dann müsste Trump von vorne anfangen und eine andere gesetzliche Grundlage nutzen, um erneut Zölle einzuführen.» Wie hoch die Zölle in diesem Fall wären, wisse man nicht. Deshalb: «Mein Rat an die Schweiz wäre, zu schauen, was als Nächstes passiert», so Eichengreen.
Gleichzeitig müsse die Schweiz auf andere Handelspartner zugehen, um weniger auf den US-Absatzmarkt angewiesen zu sein.
Kein unbegrenzter US-Einfluss
Dass die USA und ihr Präsident nicht unbegrenzten Einfluss aufs globale Wirtschafts- und Finanzsystem hätten, sei auch beim Dollar sichtbar: Dessen Dominanz in der Weltwirtschaft nehme tendenziell ab, allerdings nur allmählich, stellt Eichengreen fest.
Dabei sei der Niedergang des Dollars bis zu einem gewissen Grad «unausweichlich». Dazu greift der Ökonom zu einem Vergleich: Als internationale Leitwährung sei der Dollar wie ein Gletscher. Und wie man wisse, könne ein Gletscher sehr langsam erodieren – «aber plötzlich bricht er zusammen».
Es komme nun darauf an, inwiefern Trump seine unberechenbare, teils autokratische Politik fortsetze. Das betreffe die Zölle, seine wechselnden geopolitischen Allianzen, aber auch die Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltenteilung in den Vereinigten Staaten.
Bleibt das Vertrauen in den Dollar bestehen?
All diese Fragen würden ein schlechtes Licht werfen auf die globale Rolle des Dollars als sicherer Hafen. Denn rund um den Globus werden Dollars in riesigen Summen gehalten, weil man der Währung vertraut. Bisher muss man keine Angst haben, dass das Geld plötzlich massiv an Wert verliert oder dass es nicht mehr frei verfügbar ist.
Eichengreen warnt davor, ausserhalb der USA vorschnell Schadenfreude zu entwickeln über einen möglicherweise raschen Niedergang des Dollars als Weltwährung. Denn bislang gebe es keine taugliche Alternative zum Dollar – mit seiner überragenden Stellung als Zahlungsmittel im Welthandel und als Leitwährung des globalen Finanzsystems.
Wenn es eine Flucht aus dem Dollar gäbe, wäre die Folge unzureichende Liquidität.
Diese wichtige Rolle könnten weder der chinesische Renminbi noch der Euro auf absehbare Zeit vollständig übernehmen. Zwar habe die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, wegen Trumps Zöllen schon von einer «goldenen Gelegenheit» für den Euro gesprochen.
Doch das Szenario eines raschen Dollar-Niedergangs sei alles andere als verheissungsvoll. Eichengreen persönlich fürchtet sich eher davor.
Die Globalisierung wäre bedroht
«Wenn der Dollar seine Dominanz verlieren würde, wenn es eine Flucht aus dem Dollar gäbe, wäre die Alternative unzureichende Liquidität. Es gäbe also nicht genug sichere und liquide Vermögenswerte, um die vielen Transaktionen im globalen Handels- und Finanzsystem zu unterstützen. Das würde die Globalisierung, wie wir sie im 21. Jahrhundert kennen, bedrohen», sagt der Ökonom.
Anders beurteilt Barry Eichengreen die Stellung des Schweizer Frankens. Denn die Schweiz bleibe – im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten – ein gut regiertes Land. Der Charakter des Schweizer Frankens als sicherer Hafen werde deshalb intakt bleiben. Während der Dollar – wenn es so weitergeht wie bisher – seinen Status als dominante Weltwährung langsam einbüsst.