Martin Senn eilt in Davos von Termin zu Termin. Das Weltwirtschaftsforum sei eine optimale Begegnungplattform, sagt der Zurich-Chef. Da lohne es sich, 600'000 Franken pro Jahr an die WEF-Organisation zu zahlen. «Wir haben hier die Möglichkeit, innerhalb einer Woche rund 80 Kunden aus aller Welt zu treffen, praktisch alle unsere Regulatoren und andere Ansprechpartner. Insofern ist das ein relativ kleiner finanzieller Aufwand», sagt er in der «Samstagsrundschau».
Den Entscheid der Europäischen Zentralbank hat er diese Woche genau beobachtet, denn der Versicherungskonzern verwaltet 200 Milliarden Franken – er muss also wissen, ob die Zinsen weiterhin tief bleiben und und wie man zu hohen Renditen kommt.
Auch für den erfahrenen Finanzfachmann Senn sind die rund 1000 Milliarden Euro, mit denen die EZB Staatsanleihen aufkaufen will, eine unglaubliche Zahl. «Das ist eine enorm Zahl. Aber vermutlich ist es das, was es braucht, um die Wirtschaft in Europa zu stimulieren.»
Aber Martin Senn sieht auch die Gefahren. Das ganze Geld nütze nichts, wenn nicht auch Arbeitsplätze geschaffen und Investitionen getätigt würden. Verlasse man sich nur auf die Intervention der EZB und begleite sie nicht entsprechend, dann werde in einigen Jahren vermutlich der Einfluss verpuffen.
Appell an die Politik
Senn appelliert an die Politik, die Reformen anzupacken – auch wenn sie unangenehmen seien. Es brauche flexible Arbeitsmärkte, Pensionssysteme müssten überarbeitet und der adminisitrative Aufwand minimiert werden.
Aber auch Senn ist sich nicht sicher, ob die europäischen Länder dies wirklich anpacken. Auch der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank, den Mindestkurs fallen zu lassen, disktutierte Martin Senn am WEF mit diversen Wirtschaftsführern. Die Zurich habe das Währungsrisiko abgesichert. «Wir haben unmittelbar kein Geld verloren», sagt er.
Die Löhne bleiben gleich – vorerst
Aber natürlich gibt es auch bei der Zurich mehr Druck auf die Personalkosten für die rund 5000 Mitarbeiter in der Schweiz. Dennoch: Es gebe derzeit nicht die Absicht, etwas an der Lohnstruktur zu verändern. «Aber wir sind permanent bestrebt, effizient zu bleiben.»
Neben den Entscheidungen der Notenbanken beschäftigten in Davos aber auch die geopolitischen Krisen. Sie beeinflussten die Stimmung am WEF. «Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist sie dieses Jahr zurückhaltender, etwas gedrückter. Das darf man durchaus sagen», so Senn. Auch in der Schweiz sei das zu spüren.
Diese Verunsicherung hat wohl auch damit zu tun, dass allen immer bewusster wird, dass die Ungleichheit stärker wird. Das ist gefährlich und könnte zu weiteren Krisen führen. Doch die Lösungen fehlen weitgehend.