Sie sind bedeutend, und sie sind treu. Einheimische buchen 45 Prozent aller Schweizer Hotelbetten. Für Kantone wie Graubünden oder das Tessin, die unter einem Schwund europäischer Touristen leiden, ist es umso wichtiger geworden, die eigenen Leute zu umwerben.
So wichtig sind einheimische Übernachtungsgäste für Tourismus-Regionen
Anteil einheimischer Gäste | Anteil des Budgets für Einheimische | |
---|---|---|
Tessin | 63 % | knapp 60 % |
Wallis | 55 % | rund 50 % |
Graubünden | über 50 % | 80 % |
Bern | 45 % | 40 % |
Das Tessin zählte 2016 gar 63 Prozent Logiergäste aus der Schweiz, der Kanton Wallis spricht von 55 Prozent, Graubünden von «über 50 Prozent». Wie lässt sich das inländische Potenzial noch weiter ausschöpfen?
Jürg Stettler von der Hochschule Luzern sagt: «Der Schweizer Markt ist sehr interessant, weil er gross ist – er ist der wichtigste Markt insgesamt – und sehr stabil. Ein grosser Nachteil: Er wächst praktisch nicht.»
Brauchen Einheimische Image-Kampagnen?
Die Regionen versuchen es mit Image-Kampagnen. Das Wallis will mit seinem TV-Spot «Ins Herz gemeisselt» einheimische Feriengäste in die Region locken. Das Tessin gibt zwei zusätzliche Millionen Franken aus, um unter dem Titel «Entdecke die andere Seite» den neuen Gotthard-Tunnel zu bewerben – etwa durch eine 3-D-Animation im Verkehrshaus Luzern. Und Graubünden hat in der vorletzten Woche ein Zürcher-Linien-Tram in eine Alphütte verwandelt: Wer an diesem Tag pendelte, geriet unverhofft zwischen Ländlermusik, Bergkäse und Bündnerfleisch.
Für Tourismus-Forscher sind solch plakative Werbungen der falsche Weg. «Mir fällt auf, dass im Schweizer Tourismus das Gleiche passiert wie international: dass man primär versucht, das an den Mann und die Frau zu bringen, was man hat», kritisiert Tourismus-Professor Christian Laesser von der Universität St. Gallen. Man müsse sich mehr an den spezifischen Bedürfnissen orientieren und Angebote darauf massschneidern.
Der Dachverband Schweiz Tourismus ist überzeugt, dass Image-Kampagnen funktionieren. Markt-Schweiz-Leiter Dominik Keller sagt: «Ich glaube, im Markt Schweiz braucht es beides. Es braucht eine Breite, mit der wir möglichst alle ansprechen können. Mit Image- und TV-Spots können wir sie begeistern, vom Sofa holen und dazu aufrufen: ‹Schau dir dein Land an›. Zusätzlich braucht es aber auch segmentierte Bewerbung.»
«Nature Lover» im Visier
Schweiz Tourismus setzt deshalb seit eineinhalb Jahren auf die Segment-Strategie. In dieser Logik sind Besucher nach ihren Bedürfnissen sortiert, die sie befriedigen möchten. In diesem Sommer umwirbt man den «Nature Lover» als Haupt-Zielgruppe – zu sehen in der 45-Millionen-Franken-Sommerkampagne «Die Schweiz will dich zurück!». Der «Nature Lover» möchte laut Marketing-Definition aus dem Alltag ausbrechen, in der Natur Energie tanken und lokale Kulturen kennenlernen.
Dass einheimische Touristen keine einfach zu bewegende Zielgruppe sind, zeigen auch die Übernachtungszahlen der vergangenen 10 Jahre. Sie sind praktisch stabil. Und: Fast jede zweite Reise führt zu Verwandten oder Freunden.
Bielersee statt Mittelmeer
Laut Jürg Stettler von der Hochschule Luzern habe man nur folgende Chance: «Die hohe Kunst ist, mit der Marketing-Aktivität im richtigen Moment präsent zu sein. Ich muss also in dem Moment, in dem ich dabei bin, meine Reise zu planen, von einem attraktiven Produkt angesprochen werden, das meinen Bedürfnissen entspricht. Dadurch fange ich an, meinen Reiseentscheid zu verändern. Wenn ich beispielsweise sage, ich mache Ferien am Mittelmeer, merke ich: Ah, spannend, ich könnte eigentlich mal an den Bielersee.»
Er gesteht aber ein: Schweizer vom Aus- ins Inland zu bringen oder sie überhaupt erst zu einer Reise zu bewegen, «das ist anspruchsvoll».