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Weizenernte auf einem Feld in der Nähe von Mezokovesd im Osten von Budapest, Ungarn.
Reuters
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Ackerland in Holding-Hand – Anleger entdecken die Scholle

Ackerböden in Europa sind begehrt. Seit der Finanzmarktkrise investieren Anlagefonds oder reiche Privatleute wieder vermehrt in solide Werte wie Grund und Boden. Die Preise steigen. Bauern können nicht mehr mithalten.

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Holdings kaufen tausende von Hektaren Ackerland auf und profitieren von Abnahmegarantien und Subventionen mit weitreichenden Folgen für Landwirtschaft, Ökologie und den ländlichen Raum.

Ackerland hat sich zum begehrten Investitionsobjekt entwickelt, nicht nur in Afrika oder Lateinamerika, sondern auch in Europa, vor allem in Osteuropa. Zwar liegen Verkehrs- und Ertragswerte der Böden oft weit auseinander. Doch vielen reicht es, angesichts der Unsicherheit auf den Aktienmärkten das Geld sicher zu parkieren und auf künftige Wertsteigerungen bei einem späteren Verkauf zu bauen. Der Anstieg der Weltbevölkerung, veränderte Essgewohnheiten oder der steigende Absatz von Agrartreibstoffen stützen die anhaltende Jagd nach Ackerland. Die Preise steigen und die Einzelbauern werden aus dem Markt verdrängt. In den letzten zehn Jahren erhöhten sich die Agrarbodenpreise in Polen um 20%, in Ungarn um 25%, in Ostdeutschland um 100% und in Rumänien um mehr als 1000% - Preissteigerungen, die Familienbetriebe nicht verkraften können.
Manche Länder, etwa Österreich oder Ungarn, kennen - zum Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft - Gesetze gegen überhöhte Preise, doch helfen sie oft nur in der Theorie. So ging ein österreichischer Bauer bis vor den Verfassungsgerichtshof, weil ein Investor für 17 Hektaren Land 511‘000 Euro bezahlt hatte. Der Bauer, der das Land in seiner Nachbarschaft gerne gekauft hätte, klagte wegen erheblicher Überzahlung, doch seine Beschwerde wurde abgewiesen. Denn angesichts steigender Preise und steigender Nachfrage wird es auch für die Gerichte schwieriger, einen angemessenen Preis zu eruieren. Das Nachsehen haben die Landwirte. Schätzungen gehen davon aus, dass in Österreich schon heute ein Drittel des Bauernlandes nicht mehr in Bauernhand ist, und in den fünf ostdeutschen Bundesländern besitzen - laut einer Studie nichtlandwirtschaftliche Investoren zwischen 20% und 50% der Äcker und Wiesen.
In den letzten zehn Jahren ist als Folge der Landkonzentration ein Drittel der Bauernhöfe in Europa verschwunden - und mit diesem Hofsterben tausende von Arbeitsplätzen. Die Menschen wandern ab, die ökologische Vielfalt leidet und Dörfer veröden. Vor allem in Rumänien, Serbien, Ungarn, Ostdeutschland und in der Ukraine ist dies zu beobachten. UNO- und Bauernorganisationen fordern seit Jahren erfolglos Richtlinien gegen diese moderne Form der Landnahme durch Fonds, Banken oder reiche Privatleuten, damit beste Böden wieder für Weizenbrot statt Agrosprit bearbeitet werden.

«Ackerland in Holding-Hand» mit Reportagen von Casper Selg, Christoph Wüthrich und Brigitte Zingg.

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