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Digital Das Speck-Emoji kommt!

Diese Woche wird über die Aufnahme von 74 neuen Emoji-Kandidaten im Unicode-Standard 9.0 entschieden. Wichtiger als Speck, Eule und Face Palm ist aber die Bewahrung von seltenen oder gar ausgestorbenen Schriftzeichen.

Ab heute Montag tagt in San Diego, Kalifornien das Unicode Technical Committee – und entscheidet unter anderem über neue Emojis. 74 neue soll es geben. Speck-Liebhaber wie ich dürfen sich freuen; wer Angst vor Clowns hat, wird dagegen schon bald ganz leicht zu necken sein.

Mehr Nahrungsmittel, mehr Internet-Jargon

Weitere Neue: Die tanzende Frau wird neu durch einen tanzenden Mann und eine Schwangere ergänzt. Generell gibt es mehr Nahrungsmittel: Gipfeli, Avocado oder Kebab. Verbreiteter Internet-Jargon findet Eingang, einen Selfie-Arm beispielsweise, Bro-Fists in linker und rechter Ausführung oder ein lachend am Boden liegendes Emoji («ROFL, Rolling On Floor Laughing»). Und Freunde schlüpfriger Anspielungen haben nun mit Pariser-Brot und Gurke endlich Alternativen zur Aubergine.

Shrug, Schwanger, Selfie, Gorilla, Bro-Fist, Vespa, ROFL, Clown, Avocado, Gurke, Gipfeli usw.
Legende: Einige Beispiel der 74 neuen Emoji-Kandidaten in Unicode 9.0. Unicode

Die 74 neuen Emojis ergänzen die bestehenden und werden, so das Komitee will, in der neuen Version 9.0 des Unicode-Standards aufgenommen. Die aktuelle Version 8.0 enthält bereits 1624 Emojis – diese Zahl wuchs stark an, weil letztes Jahr nicht nur viele Landesflaggen, sondern auch viele Emojis in unterschiedlichen Hautfarben aufgenommen wurden.

Letzteres hat gezeigt, dass neue Emojis durchaus ein Politikum sein können. Untern den aktuellen Kandidaten passt das Gewehr nicht allen. Dafür gibt es neu zusätzlich zur Prinzessin auch einen Prinzen.

Vorschlagen können alle mit Geduld

Das Unicode Technical Committee wird die 74 neuen Kandidaten wohl zügig verabschieden, weil die Liste schon über eine längere Zeit vorbereitet wurde. Der neue Standard wird im Juni publiziert. Bevor wir dann Speck oder Eule tippen können, müssen aber noch die Hersteller die neue Version des Standards in ihren Betriebssystemen einbauen.

Ein neues Emoji vorschlagen können grundsätzlich alle. Doch das braucht Geduld. In einer wöchentlichen Telefonkonferenz des für Emojis zuständigen Subkomitees werden Kandidaten besprochen, zurückgewiesen oder überarbeitet. Ein gutes neues Emoji muss das Potential haben, von vielen verwendet zu werden. Ausserdem darf es nicht zu spezifisch sein: Wenn ein bestehendes Emoji bereits eine ganze Klasse abdeckt (beispielsweise Sushi), werden neue Varianten davon eher abgelehnt. Ein Emoji soll mehrdeutig sein, also sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinn verwendet werden können - die Gurke ist ein gutes Beispiel dafür.

Die endgültige Liste wird dann dem Unicode Technical Committee vorgelegt, das diese Woche tagt und entscheidet. Vom Vorschlag bis zur Aufnahme in den Standard können gut eineinhalb Jahre vergehen.

Alle Schriftzeichen bewahren

Lange dauert das, weil Emojis nicht die Hauptaufgabe des Unicode-Standards sind. Denn das Ziel dieses Standards ist ein viel umfassenderes: alle Schriftzeichen zu codieren, die Menschen brauchen oder je gebraucht haben. Damit wir auf einem Computer ein chinesisches oder arabisches oder französisches Zeichen schreiben können und das dann auf allen anderen Maschinen in jedem beliebigen Programm korrekt dargestellt wird.

Heute sind bereits mehr als 120’000 Zeichen im Standard erfasst und können gut 130 moderne oder historische Schriften darstellen. Für neue Zeichen ist genug Platz: Theoretisch kann Unicode über eine Million Zeichen aufnehmen.

Wer steht hinter Unicode?

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Unicode ist ein Industrie-Konsortium. Die Non-Profit-Organisation wacht über den Unicode-Standard. Mitglieder sind Industrie-Grössen wie Adobe, Apple, Microsoft, Google, Facebook oder IBM. Auch Regierungen (beispielsweise Indien) oder Universitäten sind dabei. Eine Vollmitgliedschaft mit Stimmrecht kostet zwischen 10’000 und 18’000 Dollar pro Jahr.

In der neuen Version 9.0 geht es auch nicht in erster Linie um neue Emojis. Stattdessen werden mehrere ausgestorbene Schriften aufgenommen. 7500 neue Zeichen kommen dazu. 6880 allein gehören zu der Xi-Xia-Schrift, die im nordwestlichen China ab dem 11. Jahrhundert von den Tanguten verwendet wurde. Ein weiteres Beispiel ist die Osage-Schrift der amerikanischen Ureinwohner in Oklahoma – die letzte Frau mit Osage als Muttersprache starb 2005.

Doch im Gegensatz zu Emojis, die von sehr vielen täglich gebraucht werden, geht es bei historischen Schriften nicht um direkten Nutzen im Alltag. Stattdessen wird durch die Aufnahme im Standard möglich, die Schriftzeichen in wissenschaftlichen Arbeiten von Linguisten oder Historikerinnen zu verwenden. Ausserdem wird die Schrift so digitalisiert und standardisiert, also vor dem Vergessen bewahrt. Für Minderheiten, deren Sprache zu verschwinden droht, kann die Aufnahme der Schrift im Standard eine enorme Bedeutung haben.

Nicht die «Emoji-Organisation»

Dass von Unicode vor allem im Zusammenhang mit Emojis gesprochen wird, stört deshalb auch zumindest einen Teil der Experten innerhalb der Organisation. Das Theater um neue Emojis bestimme die Aussenwahrnehmung zu sehr und binde zu viele Ressourcen, die sinnvoller eingesetzt werden könnten. Der Präsident von Unicode Mark Davis widerspricht allerdings: Emojis seien ein wichtiger Teil moderner Kommunikation. Ausserdem bringe die Aufmerksamkeit Geld in die Organisation, das dann zur Unterstützung von seltenen oder bereits ausgestorbenen Schriften eingesetzt werden könne.

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