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Digital am Sonntag Digital am Sonntag, Nr. 81: Das Internet für deinen Vater

Das Thema dieses Wochenende: Früher hiess es einmal, Frauen seien die geborenen Programmiererinnen. Heute gelten Frauen als Technologie-Dümmchen, während Männer allein ihres Geschlechts wegen alles checken.

Dass Frauen in Technologieberufen untervertreten sind, ist ein ebenso beschämendes wie breit diskutiertes Thema. Astra Taylor und Joanne McNeil arbeiten in einem langen Artikel im US-Magazin für Kulturkritik «The Baffler» trotzdem noch neue und interessante Aspekte der Diskussion heraus.

Dass Männern alleine schon ihres Geschlechts wegen Technologie-Kenntnisse zugeschrieben würden, zeigen für die Autorinnen zum Beispiel Sprüche wie «Dieses [technische] Ding ist so einfach, dass sogar deine Mutter es benutzen kann!». Doch während Frauen ihrer (angeblich) mangelnden Kenntnisse wegen belächelt würden, sei es Männern im Gegenzug erlaubt, vom sozialen Kontext keine Ahnung zu haben, in dem neue Technologien zum Einsatz kommen. Und auch um Sexismus in der Technologie-Welt bräuchten sich Männer nicht zu kümmern.

Aus diesem Ungleichverhältnis sei etwas erwachsen, das Taylor und McNeil «An Internet so simple even your Dad can understand it» nennen. Sie schreiben:

Complicated power dynamics do not fit neatly into an Internet simple enough for Dad to understand. Instead, these unsubtle patriarchs believe the Internet is a 'neutral' device, 'open' to any and all.

Doch wer das Internet und mit ihm die ganze Technologie-Welt als einen Raum sieht, in dem totale Gleichberechtigung herrscht, hat kaum Gehör für Individuen und Gruppen, die sich gegen real existierende Diskriminierung in eben dieser Technologie-Welt wehren. Solche KritikerInnen werden bestenfalls als «Social Justice Warriors» verunglimpft. Oder wie die Autorinnen meinen:

[...] countless men insist that there is no such thing as sexism while upholding systems that exclude women. They want to believe in the myth of the Internet as an even playing field, as an ideal and actually existing meritocracy, which means that if they are on top they deserve to be there – a gratifying and flattering thought.

Und weiter:

The unexamined corollary of all this crackpot utopianism, though, is that if women programmers and executives fail to get ahead in the industry, the fault must be entirely their own – they’re ill disposed to coding, they don’t design or delegate effectively, or they possess some other amorphous personal failing that’s almost always a coy shorthand for neither white, male, nor 'one of us.'

Taylor und McNeil führen in ihrem Text einige aktuelle Fälle auf,mit denen sie die Rede vom Internet und der Technologie-Branche als Orte der Gleichheit als einen Mythos entlarven. Und sie erinnern daran, dass Geschichte kein linearer Prozess hin zum Guten sein muss, sondern Fortschritte auch immer wieder verloren gehen können.

Als Beispiel dient ihnen der Ausspruch der amerikanischen Informatikerin Grace Hopper, die 1967 meinte, Frauen seien zum Programmieren wie geboren. Nicht ganz 50 Jahre später hat sich das Bild komplett gedreht und Programmieren scheint nur mehr etwas für Männer zu sein. Dass dieser Wandel nicht einfach so geschah, sondern einer gezielten «Maskulinisierung» und damit verbundenen gesellschaftlichen «Aufwertung» der Computerarbeit geschuldet ist, beschreiben Taylor und McNeil in ihrem lesenswerten Artikel ebenfalls.

Und zum Ende noch ein Hinweis: Anlässlich des nationalen Zukunftstages, der früher «Tochtertag» hiess, widmet sich SRF Digital nächste Woche den vergessenen Pionierinnen der IT: Wir stellen in einer Porträt-Serie sechs Frauen vor, die Wichtiges zur Computerindustrie beigetragen haben – sozusagen die Heldinnen-Poster über dem Bett der Informatikerin von morgen. Grace Hopper gehört auch dazu.

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