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Club «Führungskräfte: Gefangen im goldenen Käfig der Geldvermehrung»

1981 gründete Robin Cornelius in Mont-sur-Lausanne die Textilfirma Switcher. Ihre ökologischen Kleider werden vor allem in Indien und Portugal hergestellt und sind mit einem Code versehen, der alles über ihre Herkunft und Produktion verrät. Er ist ein Unternehmer wie er in keinem Lehrbuch steht.

Eine ganze Liste von Topmanager-Suiziden in den letzten Jahren: Gibt es hierzu Erklärungen?

Die obersten Führungskräfte eines Unternehmens stehen heute viel stärker im Fokus der Öffentlichkeit als früher. Deshalb werden auch Suizide zu einem Medienereignis. Früher erfuhr kaum jemand davon, wenn sich ein Chef das Leben nahm. Klar ist allerdings auch, dass der Druck, der auf den Führungskräften lastet, laufend zunimmt. Viele Manager haben kaum noch ein Privatleben, sie brauchen ihre ganze Energie, um die hohen Zielvorgaben zu erreichen. Sie dürfen sich dabei keine Schwächen erlauben, müssen intern und extern Erfolg und Entschlossenheit verkörpern. Unter dieser einseitigen Daueranspannung leidet das seelische Gleichgewicht.

Sie haben mit Switcher ein international tätiges Grossunternehmen gegründet und geführt: Kamen Sie als Topmanager auch an Ihre Grenzen und wenn ja, an welche?

Switcher war international tätig, aber nie ein Grossunternehmen. Mir war es immer wichtig, dass die Firma einen familiären Charakter behält, dass alle Mitarbeiter direkt mit mir reden, dass wir uns gegenseitig kennen und austauschen. Ich fühlte mich nie wie ein Manager unter Druck, sondern ich spürte die Freiheit, aber auch die Verantwortung des Unternehmers, der sein Unternehmen weiterentwickeln will. An meine Grenzen kam ich am ehesten dann, wenn ich zu schnell zu vieles verändern wollte und damit die Mitarbeiter überforderte. Und bei der Regelung meiner Nachfolge.

Wie haben Sie sich selber geholfen?

Es hilft, wenn man immer sich selber sein kann, sich nicht verstellen muss. Das ist mir gelungen. Ich bin mir nie untreu geworden. Wichtig sind auch Gespräche mit Menschen, die dich nicht wegen deiner Funktion mögen, sondern als Mensch. Und solche, die dir nicht immer applaudieren, sondern auch einmal etwas Unangenehmes sagen.

Sie haben das Unternehmen als Patron geführt, ihre Firma war ihre «Familie». Heute ist das Unternehmen grossmehrheitlich in den Händen eines indischen Textil-Grossunternehmens, im Mai ging es in Konkurs. Knallharte, aber zuletzt auch erfolglose Firmenkultur?

Als Patron fühlte ich mich immer verantwortlich für das Unternehmen und die Angestellten. So gesehen war Switcher mein «Baby». Dennoch habe ich stets zwischen dem Unternehmen und der Familie unterschieden. Es braucht Ankerpunkte ausserhalb des Unternehmens.

Wenn Switcher heute vor dem Konkurs steht, bedeutet das nicht, dass die Kultur und die Werte von Switcher gescheitert wären. Der Konkurs ist die Konsequenz schlechter und strategischer Entscheidungen. Switcher ist während zweier Generationen dank der starken Firmenkultur und der klaren ethischen Ausrichtung gesund gewachsen. Die emotionale Verbundenheit mit der Marke ist bis zum heutigen Tag enorm.

Die internationale Wirtschaftswelt, in der sich die Topmanager bewegen, ist häufig erbarmungslos gewinnorientiert. Wie kann sich ein Topmanager, der in diesem System gefangen ist, daraus befreien?

Es gibt nicht nur diese «erbarmugslos gewinnorientierte» Wirtschaft. Und es hängt auch nicht alles von einigen wenigen Topmanagern ab. Entscheidend ist, welche Werte in einem Unternehmen dominieren und woran die Mitarbeiter gemessen werden. Manche Führungskräfte sind tatsächlich gefangen im goldenen Käfig der Geldvermehrung. Im Buch «Das Switcher-Prinzip», das ich mit dem Journalisten Mathias Morgenthaler geschrieben habe (Wörterseh 2013), widmet sich ein ganzes Kapitel dem Thema, wie Geld unser Wertesystem gefährdet. Ich selber habe den Erfolg nie nur an der Rendite gemessen, für mich war immer essenziell, dass wir nichts Unsinniges herstellen, bloss weil es gekauft würde. Der Preis, den viele Manager für ein hohes Einkommen bezahlen, ist brutal hoch. Sie verkaufen dafür nicht nur ihre Seele, sondern teilweise auch die des Unternehmens und die ihrer Familien. Und sie reduzieren die Welt auf das Materielle, was leicht in Depression und Verzweiflung führt.

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