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SRF DOK «Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie nicht gut sehen»

Max Steiner lebt seit 16 Jahren in Bolivien. Der Schweizer gründete dort eine Jugendsozialstiftung und war auch Honorarprofessor für Internationale Entwicklung und Beziehungen an der Universität in Santa Cruz. Heute koordiniert er das Projekt der «EinDollarBrille» in Bolivien.

Zur Person

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Max Steiner (*1948 in Frauenfeld) gründete 2000 eine soziale Jugendstiftung in Bolivien, der Heimat seiner Ehefrau. Er baute mehrere Jugendherbergen auf, die auch Spanischkurse sowie Reisen anbieten. Die Stiftung ist in der Gesundheitsprävention aktiv. Seit 2013 unterstützt Max Steiner das Projekt der «EinDollarBrille».

SRF DOK: Wie kamen Sie auf das Brillenprojekt?

Max Steiner: Ich habe Martin Aufmuth, den Erfinder der «EinDollarBrille», vor 4 Jahren in Deutschland kennengelernt. Ich war dort an einem Studienaustausch am Institut für Geografie der Uni Erlangen – dort arbeitete er als Lehrer.

Was hat Sie überzeugt, sich selbst in diesem Projekt zu engagieren?

Im Gesundheitssystem Boliviens gibt es genau in diesem Bereich eine Lücke. Schätzungsweise über 150‘000 mehrheitlich indigene Einheimische sehen nicht gut – und die Gebiete, in denen sie leben, sind medizinisch nicht gut versorgt. Das Brillen-Projekt ist mobil, die Brillen sind bezahlbar – 1 Dollar eben – und die Produktion bringt Beschäftigung. Das hat mich überzeugt und ich wurde Martin Aufmuths Länderverantwortlicher für Bolivien.

Wie gross ist die Nachfrage nach der Brille?

Das Erstaunliche ist, dass manche Betroffenen oft gar nicht wissen, dass sie nicht gut sehen. Bei den Kindern merken es dann manchmal die Lehrer. Doch wir treffen monatlich 1500, oft sogar gegen 2000 Menschen aller Altersklassen, deren Sehvermögen eingeschränkt ist. Nach dem Sehtest passen dann unsere Optik-Assistenten durchschnittlich bis zu 1200 Brillen an, als Lese-, Weitsicht- oder auch Sonnenbrillen. Denn hier in Bolivien sind Sonnenbrillen sehr wichtig wegen der hohen UV-Strahlung. Besonders in den Berggebieten der Anden auf über 4000 Metern oder auf der Sonneninsel draussen im Titicacasee.

Video
Martin Aufmuth ist der Erfinder der «EinDollarBrille»
Aus DOK vom 01.02.2017.
abspielen. Laufzeit 41 Sekunden.

Ein wichtiger Aspekt des Brillenprojekts ist, dass die Brillen vor Ort hergestellt werden und dass Arbeit geschaffen wird. Wie bilden Sie Leute aus – und wieviele Menschen sind in Bolivien mittlerweile als Brillenproduzenten tätig?

Aus Deutschland werden uns die Biege-Tische, Werkzeuge, Edelstahldrähte und Kunststoffschläuche in bester Qualität geliefert. In den Armenvierteln und abgelegenen Bergdörfern haben wir erste Trainings mit Menschen gemacht, sie waren meist arbeitslos. Wir suchten gezielt solche Frauen und Männer, die kunstgewerbliche Fähigkeiten haben. Wer diese Auswahl bestanden hat, erhält eine drei- bis vierwöchige Schulung mit deutschen Technikern. Das macht den angehenden Produzenten grossen Spass. Es sind heute 13 Produzenten, die meisten sind Frauen, und sie knacken bald die Marke von 25‘000 Brillen pro Jahr.

«DOK» am Mittwoch

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«Kleine Gläser – grosse Wirkung», Mittwoch, 1. Februar 2017, 22.55 Uhr, SRF1.

Was verdienen sie?

Gut, aber gewollt auch unterschiedlich. Gerade junge Mütter arbeiten gerne Teilzeit. Die Löhne können bis maximal umgerechnet auf 400 Franken steigen – durchaus das Gehalt eines Schullehrers.

Wie kommt die «EinDollarBrille» bei den lokalen Augenärzten und Optikern an? Entsteht da nicht eine problematische Konkurrenz durch dieses Projekt?

Das dachten wir auch und suchten uns deshalb von Anfang an den richtigen Partner: Das Fachinstitut für Augenoptik ISSEM. In der Praxis zeigt sich nun, dass wir uns in allen Anstrengungen voll ergänzen. Die Augenärzte haben ihre Praxen nur in den wenigen Grossstädten, und die Optiker sitzen alle zusammen an wichtigen Einkaufsstrassen im Zentrum. Wir erreichen aber jene Menschen, die noch nie mit ihnen in Kontakt kamen. Sobald wir ein grösseres Augenproblem erkennen, vermitteln wir diese Patienten an den Augenarzt und den Optiker – sie haben nun mehr Zulauf. So haben wir nun bereits viele Freunde gefunden, die unser Projekt unterstützen.

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Sie vertreten das Projekt in Bolivien, ist eine Ausweitung geplant?

Ja, ich habe die Ehre, Koordinator für ganz Süd- und Mittelamerika zu werden. Mexiko, Brasilien, Peru, Kolumbien, Ecuador... Da gibt es viel zu tun! Wir haben das Ziel, bis im Jahr 2020 auf diesem Kontinent 50‘000 Brillen zu produzieren, und damit eben so vielen Menschen mit Sehschwächen zu helfen.

Es ist eine grosse Herausforderung, in einem Entwicklungsland Sozialprojekte organisatorisch hinzubekommen. Wenn ich das wachsen sehe, befriedigt und motiviert mich das sehr!

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