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Auf frischer Tat ertappt – «Teppichreiniger» nehmen Senioren aus
Aus Kassensturz vom 12.09.2017.
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Wohnen Auf frischer Tat ertappt – Teppichreiniger nehmen Senioren aus

Es ist eine fiese Masche: Teppichreiniger schwatzen Kunden masslos überteuerte Reinigungen und Reparaturen auf und drängen sie zur Zahlung in cash. «Kassensturz» erwischt die Gauner in flagranti.

Anna Katharina Stöcklin wollte ihrem Enkel einen ihrer Teppiche schenken – natürlich frisch gereinigt. Sie wendet sich deshalb an die «Teppich Galerie Berger». Berger überredet die 93-jährige Seniorin, nicht nur einen Teppich reinigen zu lassen, sondern gleich vier – plus Reparatur der Fransen. Kostenpunkt: 7000 Franken.

Anna Katharina Stöcklin willigt ein. Als sie die Teppiche zurückerhält, sieht sie nur die geflickten Fransen. Erst später fällt ihr auf, dass die zwei Teppiche alles andere als gereinigt sind. Immerhin senkt Berger den Preis auf 5200 Franken, nachdem Stöcklins Tochter reklamiert hat.

Bis zum 16-Fachen über dem Marktpreis

Diese Summe ist noch bescheiden. Es gibt Fälle, wo sich die Reinigungs- und Reparaturkosten auf bis zu 100'000 Franken belaufen. Oft gibt es darauf Scheinrabatte, so dass «nur» noch mehrere zehntausend Franken übrigbleiben. Diese Preise liegen oft immer noch um das 10- bis 16-Fache über dem üblichen Marktpreis.

Der Kundenfang läuft nach Schema F: Die Teppichreiniger werben mit Briefkastenreklame oder Beilagen in Zeitungen. Die meisten Angebote sind sich zum Verwechseln ähnlich und locken mit satten Rabatten, Gutscheinen oder Sonderaktionen. Nach einem Anruf erscheinen die «Teppichspezialisten» oft noch am gleichen Tag. Häufig überreden sie ihre meist ältere Kundschaft zur Reinigung gleich mehrerer Teppiche und zu Ausbesserungsarbeiten zu Wucherpreisen. Zahlbar sind die Arbeiten in bar, sonst drohen Aufpreise von bis zu 30 Prozent. Oft gibt es weder Offerten noch Rechnungen. Stornieren ist meist am Tag nach dem Auftrag schon nicht mehr möglich.

Machenschaften krimineller Clans

Die dubiosen Methoden sind so weit verbreitet, dass Bruno Meier, Präsident der Interessengemeinschaft Orientteppiche und Gutachter für Staatsanwaltschaften, fast täglich damit konfrontiert ist. Hinter den aktuellen Fällen stecken offenbar alte Bekannte: acht bis neun Familien, bei denen es sich um deutsche Staatsbürger mit Roma-Hintergrund handeln soll und die laut einem Insider und zwei weiteren Quellen zur Leverkusener Grossfamilie Goman gehören sollen. Einzelne Familienmitglieder des Clans wurden in Deutschland bereits 2015 wegen Teppich- und Betrugsdelikten im grossen Stil angeklagt.

Tipps

So schützen Sie sich davor, auf Teppichbetrüger hereinzufallen:

  • Am Wichtigsten: Lassen Sie sich nie auf eine Barzahlung ein.
  • Lassen Sie sich nicht überreden, mehr reinigen und reparieren zu lassen als geplant.
  • Typisch: Die Teppichbetrüger erscheinen oft noch am Tag des Anrufs. Sie loben die Teppiche in den Himmel und geben astronomische Preise an, die man auf dem Markt für sie erzielen könnte, wenn die Teppiche gereinigt und geflickt würden.

Stellungnahme

Kassensturz hatte Ricardo Temetra von «Polster, Teppich- und Bodenservice» in Buckten BL mehrmals um eine Stellungnahme gebeten. Beim Zusammentreffen mit «Kassensturz» vor drei Monaten hatte er versprochen, Heidi Willi eine detaillierte Rechnung zu schicken. Bis heute ist sie nicht eingetroffen.

Daniel Berger von der «Teppich Galerie Berger» in Othmarsingen AG schreibt, dass er mit «Leonardo Goman», der am selben Ort wie Bergers Firma domiziliert ist, in «keiner Beziehung» stehe. Die im Kassensturz-Betrag kritisierten Teppichreiniger legen Wert auf die Feststellung, dass sich mit der deutschen, mafiaähnlichen Organisation nichts zu tun hätten.

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