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Frust und hohe Kosten Die Firma «Fit on Time» verärgert Kundinnen

Die Rechtsexpertin kritisiert: «Diese Verträge sind so nicht zulässig» – die Firma widerspricht. Was nun?

Loredana Landenberger wollte Gewicht verlieren und landete über ein Online-Quiz bei der Firma «Fit on Time». Sie füllte Ihre Personendaten ein kurz darauf rief sie ein Berater an – charmant und überzeugend, wie sie sagt. Obwohl sie das Programm nicht überzeugte, bestätigte sie am Ende des Gesprächs elektronisch ein Jahrescoaching für 6486 Franken. Kurz darauf überkamen sie Zweifel und Panik vor den Kosten. Am nächsten Tag kündigte sie – doch «Fit on Time» akzeptierte dies nicht.

Drei Monate später folgte die Betreibung. «Das ist völlig überteuert», sagt Claude Ammann, Präsident des Schweizerischen Fitness- und Gesundheits-Center Verbandes, SFGV. Für diesen Preis könne man fünf Jahre lang in einem Fitnesscenter trainieren – mit Betreuung.  

Der Betreuer sagt «geht nicht» – Rechtsexpertin widerspricht

Auch Evelyne Agred (72), die Ergänzungsleistungen bezieht, unterschreib einen Vertrag mit «Fit on Time» über mehrere Tausend Franken und wollte kurz darauf kündigen. Ihr Betreuer sagte, das gehe nicht.

Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner widerspricht deutlich: Bei solchen Angeboten handle es sich rechtlich um einen Auftrag und aus einem Auftrag könne man jederzeit aussteigen. Kundinnen müssten nur bezahlen, was bis zur Kündigung tatsächlich geleistet wurde.

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Ein weiteres Beispiel ist Miranda Brugger. Sie suchte persönliche Betreuung durch einen Trainer. Doch «Fit on Time» bietet Übungen via App am Smartphone an. Am Telefon liess sie sich trotzdem überzeugen, einen Vertrag abzuschliessen: «Ich bin im Fitnessstudio besser betreut. Bei ‹Fit on Time› schaut niemand zu», sagt sie.

1000 Franken Stornogebühr

Claude Amman, Präsident des SFGV, kritisiert das Modell grundsätzlich: Ein seriöses Training brauche persönliche Betreuung, Kontrolltermine alle paar Wochen und jemanden, der korrigiert, damit Übungen nicht falsch ausgeführt werden.

Die Firma «Fit on Time» weist die Vorwürfe zurück. Zu den Preisen schreiben sie: Solche Stundenansätze seien in der Gesundheits- und Coachingbranche marktgerecht. Und zur Auflösung der Verträge: Es brauche objektive Gründe, wie medizinische Ursachen, um aus dem Vertrag auszusteigen.

Als Brugger vier Monate vor Vertragsende aussteigen wollte, verlangte «Fit on Time» hohe Stundenansätze plus 1000 Franken Stornogebühr. Laut Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner ist eine solche Gebühr rechtswidrig: «Bei einem Auftrag habe ich das jederzeitige Widerrufsrecht. Eine Stornogebühr hebelt die gesetzlichen Möglichkeiten aus.»

Ergotherapeutin: Übungen sind «ungeeignet und gefährlich»

Besonders hart traf es Annelies Nussmüller (78): Sie sieht schlecht, ist sturzgefährdet und kann kaum Apps bedienen. Trotzdem schloss sie telefonisch einen Vertrag über rund 3000 Franken ab – ohne zu verstehen, was sie akzeptierte. Ihre Übungen erhielt sie auf Papier, viele davon sind laut ihrer Ergotherapeutin ungeeignet und gefährlich. Ein Arztzeugnis bestätigt schwere körperliche Einschränkungen.

«Fit on Time» forderte trotzdem zunächst den vollen Betrag. Erst nach der Konfrontation durch «Kassensturz» verzichtete das Unternehmen im Fall von Annelies Nussmüller «aus Kulanz» auf die Forderung.

Schriftliche Stellungnahme von «Fit on Time»

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«Vorab ist zu betonen, dass wir nur Telefongespräche mit potentiellen Kundinnen führen, die zuvor auf eine Online-Anzeige von uns reagiert und zwecks Kontaktaufnahme ihre Kontaktdaten hinterlassen haben.

Unsere Berater und Beraterinnen führen persönliche Gespräche, um Ziele, Erwartungen sowie gesundheitliche und organisatorische Voraussetzungen der Kundinnen zu prüfen. Wenn unsererseits Bedenken betreffend eine erfolgreiche Zusammenarbeit bestehen, raten wir von einem Vertragsabschluss ausdrücklich ab.»

«Ein Vertrag kommt erst zustande, wenn die Kundin das schriftliche Angebot aktiv bestätigt, was in jedem Fall dokumentiert und nachweisbar ist. Dabei werden Leistungspaket und Kosten nochmals klar ausgewiesen und unsere AGB über das Anklicken eines Buttons zugänglich gemacht, sodass diese jederzeit einsehbar sind. Wir bedauern, wenn Kundinnen im Nachhinein das Gefühl hatten, sich zu schnell entschieden zu haben. Wir weisen den Vorwurf, es sei teilweise Druck aufgebaut worden, klar zurück. Unsere Qualitätsrichtlinien schliessen dies ausdrücklich aus.»

Zum Fall von Loredana Landenberger:

Eine Kündigung sei nicht möglich, der Vertrag gelte 12 Monate: «‹Fit on Time› löst aus reiner Kulanz Verträge auf, wenn objektive Hindernisse vorliegen, wie medizinische Ursachen (…). Im Fall von Frau Landenberger lag kein solcher Grund vor.»

«Vorliegend handelt es sich um ein digitales Coachingprogramm im Bereich Ernährung, Fitness und Gesundheit. Unmittelbar nach Vertragsschluss erfolgen dabei erhebliche Leistungen zugunsten der Kundin, insbesondere Anamnesegespräch und Auswertung, Onboarding-Gespräch, individuelle Erstellung Trainings- und Ernährungsplan, Zugang zu unserer App sowie Freischaltung des internen Mitgliederbereichs mit unzähligen von uns aufbereiteten Informationen und Videos zu Training und Ernährung etc. Diese Leistungen erhält die Kundin gleich zu Beginn, und sie sind nicht mehr rückgängig zu machen.»

«Wir boten Frau Landenberger verschiedene Lösungsoptionen an, namentlich Downgrade ihres Pakets auf neun Monate oder Vertragsauflösung unter Erhalt der erbrachten Leistungen zum Pauschalbetrag von 1500 Franken. Obwohl Frau Landenberger diese nicht angenommen und auf unsere Kontaktversuche nicht mehr reagiert hat, bleiben diese Angebote bestehen.»

Zum Fall von Evelyne Agred:

«Frau Agred hat bereits erhebliche Leistungen bezogen, namentlich Vorbereitung und Durchführung der Anamnese- und Onboarding-Gespräche, ein Coaching-Gespräch, die individuelle Erstellung eines auf der Anamnese basierenden Trainingsplans und ein Gespräch mit ihrem Strategieberater, um für ihre geschilderten Herausforderungen individuelle Lösungen auszuarbeiten.»

«Ein Rücktritt kann nicht erfolgen, wenn Leistungen bezogen und individuelle Hilfsangebote abgelehnt werden, und wenn kein objektiver Hinderungsgrund vorliegt.»

«Wir haben für Frau Agred bereits erhebliche Leistungen erbracht und ihren Bedenken betr. technische Affinität mit einer individuellen Beratung über andere Wege Rechnung getragen, namentlich appfreie Pläne, ein vereinfachtes Programm, zusätzliche telefonische Begleitung und einen kostenlosen Zusatzmonat für die Betreuung. Selbst als sämtliche Wünsche von Frau Agred erfüllt wurden, stellte sie sich ohne Grund kategorisch gegen die Umsetzung des von ihr gebuchten Pakets. Wir bieten ihr erneut an, im klärenden Gespräch eine individuelle Lösung zu finden.»

Zum Fall von Miranda Brugger:

«Abgerechnet wurde ausschliesslich das von Frau Brugger ursprünglich selbst bestätigte Paket von 4324 Franken. Obwohl der tatsächlich betreute Aufwand das Ursprungspaket überstieg, wurde kein Zusatzaufwand belastet. Umgekehrt erfolgte aber auch keine Rückvergütung für Resttage, da der Betreuungsaufwand den Paketpreis bereits übertroffen hatte. Zusätzlich erhielt Frau Brugger einen kostenlosen Zeitstopp und sechs Monate Gratis Nutzung der App. Die Aufhebung erfolgte anschliessend einvernehmlich per Saldo aller Ansprüche.»

«Ihre später geäusserte Unzufriedenheit stand nicht im Zusammenhang mit medizinischen Risiken, sondern mit ihrem Wunsch nach einem lokalen Personaltrainer. (...) Das ist kein Rücktrittsgrund.»

«Wir haben mit Frau Brugger bereits eine Lösung gefunden, mit der sie sich einverstanden erklärte. Sie hat über mehrere Wochen Leistungen bezogen und erhielt einen kostenlosen Zeitstopp sowie sechs Monate Gratis-Nutzung der App. Der Paketpreis blieb bestehen, obwohl der tatsächlich betreute Aufwand in ihrem Fall das Ursprungspaket überstieg.» (siehe auch Stellungnahme zum Vertrag und den Stornobegründung weiter unten)

Zum Fall von Annelies Nussmüller:

Zu den Preisen schreibt «Fit on Time»: Solche Stundenansätze seien in der Gesundheits- und Coachingbranche marktgerecht. Immerhin kommen sie Frau Nussmüller entgegen:

«Gerade Frau Nussmüller war für uns ein sehr interessanter Fall, weil es aufgrund ihres Alters und ihrer Konstitution vieles zu beachten gab. Deshalb haben wir mit besonders viele Engagement ein individuell adäquates Programm entwickelten, in das wir grosse Hoffnungen gesteckt haben und auf dessen Resultat wir gespannt waren. Ein Grossteil unserer Leistung wurden also bereits erbracht, und das entwickelte Programm wäre bereit zur Umsetzung (gewesen). Dass sich Frau Nussmüller nun dagegen entschieden hat, bedauern wir, wollen ihr aber gleichzeitig unter Berücksichtigung ihres Alters keine Sorgen bereiten. Wir verzichten deshalb aus reiner Kulanz vollständig auf eine Rechnungsstellung und hoffen, dass sie anderweitig einen Weg sucht und findet, ihre Gesundheit nachhaltig zu unterstützen.»

Zur juristischen Einordnung von «Kassensturz»-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner, es handele sich um einen Auftrag und aus diesem könne man jederzeit aussteigen:

«Passender wäre der Vergleich mit einer individualisierten Fitnesstrainings- und Ernährungsapp oder mit einem Premium-Abo in einem Fitnesscenter, wo auch regelmässig Ziele definiert, Resultate überprüft und Training und Ernährung falls nötig angepasst werden.»

«Die vereinbarte feste Laufdauer ist gesetzeskonform, ebenso wie eine Pauschale Stornogebühr bei vorzeitiger Beendigung (...), wobei die Stornierungskosten aber in jedem Fall unter dem Paketpreis bleiben, auch wenn der Aufwand tatsächlich höher war.»

«Es handelt sich hier nicht um einen Auftrag mit jederzeitigem Kündigungsrecht, entsprechend ist die vereinbarte feste Laufdauer gesetzeskonform, ebenso wie eine pauschale Stornogebühr bei vorzeitiger Beendigung. Darüber hinaus erhebt «Fit on Time» eine Aufwandsentschädigung für bereits erbrachte, individuelle Leistungen wie Analyse, Planerstellung oder technische Einrichtung, wobei die totalen Stornierungskosten aber in jedem Fall unter dem Paketpreis bleiben, auch wenn der Aufwand tatsächlich höher war. Diese Entschädigung wird nicht automatisch, sondern nur nach Einzelfallprüfung eingefordert. In vielen Fällen haben wir ganz oder teilweise darauf verzichtet oder andere Lösungen angeboten.»

Zur Kritik von SFGV-Präsidenten Claude Ammann:

«‹Fit on Time› verkauft keine einzelnen Stunden, sondern ein persönliches Gesamtprogramm zu einem Pauschaltarif (Paketpreis). Der ausgewiesene Stundenansatz ist kein generell in Rechnung gestellter Minutenpreis, sondern der interne Aufwand für qualifizierte Fachleistungen wie Ernährungsberatung, Trainingsplanung, Analyse und Betreuung. Er dient lediglich dazu, bei einem vorzeitigen Rücktritt die bereits erfolgten Leistungen nachzuweisen und in Rechnung zu stellen, wobei der ursprünglich vereinbarte Paketpreis immer die Obergrenze bildet, die nie überschritten wird.

Solche Stundensätze sind in der Gesundheits- und Coachingbranche marktgerecht und spiegeln nicht Mehrkosten wider, sondern den bereits erbrachten Aufwand, falls Kundinnen vorzeitig aussteigen und eine Rückerstattung von vermeintlich überschiessenden Kosten verlangen.»

«Der ausgewiesene Satz ist ein interner Durchschnittswert der Vollkostenrechnung für Fachleistungen (Ernährungs- und Trainingsplanung, Gesundheitsanalyse, Administration, technische Einrichtung, Fallklärung). Er dient der transparenten Aufschlüsselung des bereits geleisteten Aufwandes – nicht der Verrechnung zusätzlicher Kosten.»

«Es ist denkbar, dass unsere Angebote aus der Sicht des Verbands ungewohnt erscheinen könnten, da es sich um ein innovatives Konzept bzw. eine Kombination eines individualisierten Fitness- und Ernährungs-Apps mit einer persönlichen Betreuung eines Personal Trainers im Austausch mittels Telefons, WhatsApp und regelmässigen Calls handelt. ‹Fit on Time› ist also kein klassisches Fitnessstudio oder Personal Training, sondern ein digitales Fitness- und Gesundheitscoaching, das nach anderen Standards arbeitet.»

«Anamnese & Gesundheitschecks – Eine vollständige Anamnese ist immer Pflicht, bevor ein Programm startet. – Die Planerstellung erfolgt erst nach individueller Analyse und Zieldefinition. – Bei Überforderung oder Einschränkungen werden Programme angepasst, vereinfacht oder aus Kulanz aufgelöst.

Kosten & Stundenansatz – Wir verkaufen keine Einzellektionen, sondern Gesamtprogramme inklusive Analyse, Konzept, individuelle Planerstellung, Zugang zu unseren umfangreichen Trainings- und Ernährungsinformationen, Betreuung und Anpassung. – Die ausgewiesenen Ansätze sind keine in Rechnung gestellte Kosten pro Stunde, sondern ein branchenüblicher Durchschnittswert qualifizierter Fachleistungen (Ernährung, Trainingsplanung, Coaching, Administration), der lediglich im Falle einer vorzeitigen Vertragsauflösung als Aufwandentschädigung zum Tragen kommt.

Gesundheitsrisiken & Betreuung – Trainingspläne werden nur nach bestätigter Machbarkeit durch die Kundin individuell erstellt und freigegeben. – Bei Unsicherheit oder Beschwerden werden Programme sofort individuell angepasst.

«Billige Videos / mangelnde Überwachung» – Unsere selbst erstellten Videos sind nicht billig, sondern werthaltig und eine zusätzliche Unterstützung zur persönlichen 1:1 Betreuung. – Der Wert entsteht nicht nur in der Videoproduktion, sondern vor allem auch in Diagnostik, individualisierter Planung, Anpassung und Rückfallprävention. – Es erfolgt durchaus eine Überwachung im regelmässigen Kontakt zu den Kundinnen über die verschiedenen Kommunikationswege. Vergleichbarkeit & Markt – Digitale Gesundheitsbetreuung ist nicht mit Fitnessstudios oder Personal Training vor Ort gleichzusetzen. Eine intensive Betreuung, wie wir sie über die gesamte Laufdauer unserer Pakete anbieten, wäre im Rahmen eines lokalen Personal Trainings vor Ort viele teurer.

Qualifikationen – Unsere Fachpersonen verfügen über nachweisbare Qualifikationen in den Bereichen • Ernährungsberatung • Trainingswissenschaften & Leistungsdiagnostik • Medizinischem Fitnesstraining • Coaching»

Radio SRF 1, Espresso, 2.12.2025, 8.10 Uhr

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