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Knebelverträge statt Liebe: So treiben Partnerbörsen Geld ein
Aus Kassensturz vom 14.02.2017.
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 58 Sekunden.
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Familie und Freizeit Online-Partnervermittlung: Kunden fühlen sich gefangen

«Es freut uns, wenn wir unsere Kunden verlieren». Mit diesem Spruch wirbt die Online-Partnervermittlung Parship derzeit auf Werbeplakaten. Viele ehemalige Kunden würden diesen Satz kaum unterschreiben. Im «Kassensturz» und auf «Espresso» klagen Betroffene über Knebelverträge und Inkasso-Terror.

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Partnervermittlungsportale: Kunden fühlen sich als Gefangene
aus Espresso vom 14.02.2017. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 13 Sekunden.

Auf der Redaktion von «Kassensturz» und «Espresso» hagelt es Reklamationen: Eine 51-jährige Zuschauerin wird von der Agentur Elite Partner zuerst via Inkassobüro bedrängt, später sogar betrieben. Die Frau wollte ihr Abonnement nach Ablauf nicht erneuern.

Doch Elite Partner akzeptierte die Kündigung nicht. Laut den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Agentur müssen Abonnements drei Monate vor Ablauf gekündigt werden. Wer diesen Termin verpasst, muss für ein weiteres Jahr bezahlen. Kostenpunkt: Um die 800 Franken.

Parship versucht es erst auf die harte, dann auf die weiche Tour

Ähnlich erging es einer «Espresso»-Hörerin mit der Agentur Parship. Auch sie verpasste die Kündigungsfrist, auch sie sollte ein weiteres Jahr eine Dienstleistung bezahlen, mit der sie nicht zufrieden war und die sie deshalb nicht mehr nutzen wollte. Zum Glück liess die Frau nach der Kündigung ihre Kreditkarte sperren. Nach etlichen Mahnungen, die sie unbeachtet liess, änderte Parship die Strategie. Man werde ihr aus Kulanz entgegenkommen, hiess es im nächsten Mail, sie müsse nur für ein weiteres halbes Jahr bezahlen. Doch die verärgerte Frau lehnte ab und schrieb Parship, sie sei Kundin und nicht Gefangene ihres Portals. Schliesslich stellte Parship das Inkasso ein.

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Viele weitere Betroffene erzählen «Kassensturz/Espresso» von «Beziehungsstress» mit Online-Partnervermittlungsagenturen. Die Schilderungen tönen alle gleich. Entweder werden Kunden geschröpft, weil sie die Kündigungsfrist verpassen oder wegen automatischen Verlängerungsklauseln im Kleingedruckten.

Elite Partner betreibt eine Kundin, die gekündigt hat

Wer sich wehrt und nicht zahlt, muss mit wahrem Inkasso-Terror rechnen: Kunden werden mit Mahnungen, Briefen von Anwälten und Inkassobüros und sogar mit Betreibungen bedrängt und eingeschüchtert. Für viele Kunden ist klar, dass bei diesem Geschäftsmodell nicht die Vermittlung von Partnersuchenden im Zentrum steht, sondern Geldmache.

Dabei ist für Hubert Stöckli, Rechtsprofessor an der Universität Freiburg, klar: «Solche Verträge können laut Gesetz jederzeit gekündigt werden. Selbst dann, wenn im Vertrag eine längere Kündigungsfrist vorgesehen ist.» Arnold F. Rusch, ebenfalls Professor an der Universität Freiburg und Rechtsanwalt, ist gleicher Meinung. «Das gesetzliche Kündigungsrecht ist zwingend.»

Solche Verträge können laut Gesetz jederzeit gekündigt werden. Selbst dann, wenn im Vertrag eine längere Kündigungsfrist vorgesehen ist.
Autor: Hubert Stöckli Rechtsprofessor an der Universität Freiburg

Auch automatische Verlängerungsklauseln seien vor diesem Hintergrund nicht verbindlich, sagen die Rechtsprofessoren Stöckli und Rusch.

Stöckli rät Betroffenen, auf eine Betreibung Rechtsvorschlag zu erheben. So wird das Verfahren gestoppt. Danach müsste der Onlinevermittler weitere rechtliche Schritte einleiten. Ob das geschehen wird, ist allerdings fraglich.

Ausländische Gerichte entscheiden gegen die Partnervermittler

Verständlicherweise scheuen Onlinevermittlungsdienste den Gang vor Gericht, denn ein Urteil zu ihren Ungunsten hätte massive Gewinneinbrüche zur Folge. Und genau mit einem solchen Urteil müssten Online-Partnervermittlungen wie Parship und Elite Partner in der Schweiz wohl rechnen.

In Deutschland und in Österreich haben sich bereits Gerichte mit automatischen Verlängerungen und Kündigungen bei solchen Verträgen auseinandergesetzt. Mehrere Urteile fielen zu Gunsten der Konsumenten aus.

Stellungnahme von Parship und ElitePartner

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Die beiden grössten Online-Partnervermittlungsagenturen der Schweiz – Parship und ElitePartner – geben auf die Frage nach jederzeitiger Kündbarkeit von «Kassensturz/Espresso» die exakt gleiche Antwort: «Ob die Kunden von Online-Partnerbörsen ihre Verträge jederzeit kündigen können, ist rechtlich umstritten und bisher nicht geklärt. Parship.ch/ElitePartner geht davon aus, dass dies nicht der Fall ist und die geltenden Kündigungsbestimmungen zulässig sind.»

Auch das zweite Statement von ElitePartner und Parship hat den exakt gleichen Wortlaut. Es ging um die Frage nach Gerichtsurteilen bezüglich Kündigung, die in Deutschland und Österreich zu Gunsten von Konsumentinnen und Konsumenten entschieden wurden. Das Statement von ElitePartner und Parship: «In Deutschland geht die jüngere Rechtsprechung in mehreren Gerichtsurteilen davon aus, dass bei Online-Partneragenturen kein jederzeitiges Kündigungsrecht besteht.»

Parship wie auch ElitePartner haben in der Schweiz die exakt gleiche Pressestelle: die Contract Media AG. Der exakt gleiche Wortlaut, die exakt gleiche Pressestelle.

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