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Weiterbildung: Muss ich mich für drei Jahre verpflichten?
Aus Espresso vom 24.09.2015. Bild: Colourbox
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Arbeitsrecht Weiterbildung: Muss ich mich für drei Jahre verpflichten?

Eine junge Frau will sich weiterbilden. Weil der Arbeitgeber davon profitiert, beteiligt er sich an den Kosten. Doch dafür soll sich die Mitarbeiterin verpflichten, auf Lohnerhöhungen zu verzichten und drei Jahre nicht zu kündigen. «Espresso» sagt, wie weit eine solche Vereinbarung gehen darf.

Petra S. will sich im Rahmen eines Certificate of Advanced Studies (CAS) weiterbilden. Solche Weiterbildungen sind teuer und aufwendig. Fast 8000 Franken kostet der Lehrgang im Bereich Arbeitsintegration. Drei Jahre muss Petra S. an modulartigen Veranstaltungen teilnehmen. Zeitaufwand: zirka 196 Stunden.

Der Arbeitgeber von Petra S. ist bereit, die Kosten für die Weiterbildung zu bezahlen. Dafür muss Petra S. die Zeit für den Besuch der Veranstaltungen und die Vorbereitungen frei nehmen. Die Vereinbarung, die Petra S. unterschreiben soll, sieht zudem vor, dass sie das Arbeitsverhältnis frühestens drei Jahre nach Abschluss der Ausbildung kündigen darf. Zudem wird sie während dieser Zeit keine Lohnerhöhung erhalten.

Trotz Weiterbildung gibt es kein Lohnerhöhung

Dicke Post, findet Petra S. Sie fühlt sich ungerecht behandelt. «Ich zeige bereits eine hohe Leistungsbereitschaft, und schliesslich profitiert der Arbeitgeber von meinem neu erworbenen Wissen.»

Von «Espresso» möchte sie deshalb wissen, ob eine solche Vereinbarung nicht zu weit gehe.

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Die Rechtsexpertinnen Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin beantworten jeden Donnerstag im «Espresso» eine Rechtsfrage. Hier geht es zu den bisherigen Antworten.

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Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Gesetzlich geregelt ist nur der Fall, wenn ein Arbeitgeber verlangt, dass sich Mitarbeitende weiter bilden oder wenn dies – wie in bestimmten Berufen – gar gesetzlich vorgeschrieben ist. Dann gilt: Die Zeit für die Weiterbildung gilt als bezahlte Arbeitszeit und der Arbeitgeber trägt die Kosten für die Schulung.

Bildet sich ein Angestellter aus eigenen Stücken weiter, so besteht grundsätzlich weder Anspruch auf freie Zeit, noch auf eine Beteiligung an den Kosten.

In der Praxis ist es aber üblich, dass sich Unternehmen an den Kosten für berufliche Weiterbildungen beteiligen. Mit Gewährung von freier Zeit oder mit der Übernahme der Kosten oder mit beidem.

Weiterbildungsvereinbarungen müssen verhältnismässig sein

In diesem Fall werden wie im Beispiel von Petra S. sogenannte Weiterbildungsvereinbarungen abgeschlossen. Darin wird festgehalten, in welchem Rahmen und Umfang sich der Arbeitgeber beteiligt und unter welchen Bedingungen. Üblicherweise muss sich ein Angestellter verpflichten, während einer gewissen Zeit nach der Weiterbildung nicht zu kündigen. Tut er es trotzdem, kann der Arbeitgeber die Kosten für die Weiterbildung zurück verlangen.

Welche Bedingungen sind nun zulässig? Muss sich Petra S. wirklich drei Jahre verpflichten?

Aus der Gerichtspraxis lassen sich folgende Kriterien ableiten:

  1. Eine Vereinbarung mit Rückzahlungspflicht ist nur dann zulässig, wenn sie dem Arbeitnehmer auch bei anderen Arbeitgebern Vorteile bringt. Das ist in der Regel der Fall, wenn er eine Weiterbildung mit einem anerkannten Titel oder Diplom abschliesst.
  2. Sie muss verhältnismässig und zeitlich begrenzt sein. Bei Weiterbildungen für mehrere Zehntausend Franken haben die Gerichte bisher Verpflichtungen von drei bis vier Jahren als zulässig erachtet. Nicht zulässig wäre es aber, einen Angestellten mit einer solchen Vereinbarung unverhältnismässig lang an den Betrieb zu binden.
  3. In der Praxis ist die Regel weit verbreitet, wonach die Kosten bei vorzeitiger Kündigung pro rata temporis, das heisst nach Monaten oder Jahren abgestuft zurück bezahlt werden müssen. Je früher der Angestellte kündigt, desto höher ist der Anteil der Ausbildungskosten, die er zurückbezahlen muss.
  4. Zulässig ist zudem, wenn die Vereinbarung vorsieht, dass der Angestellte sämtliche Kosten zurückbezahlen muss, wenn er die Ausbildung abbricht oder die Prüfungen nicht besteht.

Aus diesen Kriterien lässt sich ableiten: Die Vereinbarung im Beispiel von Petra S. geht weit. Eine Verpflichtung von drei Jahren für eine Kostenbeteiligung von knapp 8000 Franken ist an der Grenze des Zulässigen.

Manchmal ist abwarten die beste Strategie

Das Problem allerdings: Der Arbeitgeber könnte sich weigern, überhaupt einen Beitrag zu leisten. Für Angestellte wie Petra S. eine unbefriedigende Situation. Sie sitzt am kürzeren Hebel.

Natürlich kann Petra S. noch einmal das Gespräch mit ihren Vorgesetzten suchen und probieren, diese zu mehr Entgegenkommen zu bewegen. Gelingt dies nicht, so gibt es nur eine Strategie: Abwarten und lernen. In der Praxis kommt es häufig vor, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer später noch auf eine andere Lösung einigen oder dass ein interessierter neuer Arbeitgeber die wegen der vorzeitigen Kündigung fällige Rückzahlung übernimmt.

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