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Arbeit Coop missachtet Arbeitsgesetz: Mitarbeiter klagen an

Manipulierte Arbeitspläne, gestrichene Pausen und viele Überstunden. «Kassensturz»-Recherchen zeigen: Um Personalkosten zu sparen, missachtet Coop das Arbeitsgesetz und den eigenen Gesamtarbeitsvertrag. Mitarbeiter beklagen sich über die Arbeitsbedingungen. Die Coop-Personalchefin räumt Fehler ein.

Der Grossverteiler Coop stellt sich gerne als fairer und sozialer Arbeitgeber dar. Doch Mitarbeiter erheben jetzt im «Kassensturz» schwere Vorwürfe. Coop-Metzger Milos P. musste über 50 Stunden in der Woche hinter der Fleischtheke stehen.

Coop verspricht Massnahmen

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Im Interview mit «Espresso» kündigt Coop-Personalchefin Nadine Gembler Massnahmen an. Sie präzisiert auch, was mit den vielen Minusstunden passiert. Zum Artikel

Im letzten August – während der Grillsaison – war es besonders schlimm. Sein Vorgesetzter hatte ihn so eingeteilt: «Ich hatte nur am Sonntag frei, die Freitage haben sie mir gestrichen und die Pausen auch», erinnert sich Milos P. an die belastende Zeit.

Wehren konnte sich Milos P. gegen die vielen verordneten Überstunden nicht. Denn der Filialleiter konnte frei über ihn verfügen: Milos P. musste Minusstunden abbauen.

Coop schiebt saisonale Schwankungen auf Mitarbeiter ab

Über 120 Minusstunden hatte der festangestellte Metzger auf seiner Stundenabrechnung. Wie ist das möglich? «Wenn nichts lief, hat mich der Chef jeweils früher heimgeschickt, oder weniger eingeteilt», so Milos P. So arbeitete er oft statt täglich 8.2 Stunden nur 6 bis 7 Stunden - gegen seinen Willen.

So häuften sich über Monate 120 Minusstunden an, die Milos P. dann innerhalb weniger Wochen abbauen musste – zusätzlich zu seiner regulären 41-Stunden-Woche.

Für Coop lohnt sich das: Indem der Grossverteiler das Verkaufspersonal in Wochen mit wenig Umsatz nach Hause schickt und es dann in umsatzstarken Zeiten die Minusstunden aufholen lässt, kann der Grossverteiler das Risiko von saisonalen Schwankungen auf das Personal abschieben.

«Kassensturz» weiss, Coop-Metzger Milos P. ist kein Einzelfall. Auch in anderen Filialen leiden Coop-Verkäuferinnen und -Verkäufer unter verordneten Minusstunden. Sie fühlen sich der Willkür von Coop ausgeliefert.

Denn manche Coop-Filialleiter machen mit den Angestellten, was sie wollen. Um das Personal möglichst effizient einzusetzen, ändern sie von heute auf morgen die Einsatzpläne - ohne die Angestellten zu fragen.

Rechtsexperte Roger Rudolph macht klar: «Damit verstösst Coop gegen das Arbeitsgesetz.» Arbeitseinsätze müssen zwei Wochen im Voraus bekannt gegeben werden und dürfen nur in Ausnahmefällen abgeändert werden.

Verstoss gegen Arbeitsgesetz und GAV

Coop verstösst auch gegen den eigenen Gesamtarbeitsvertrag. Dort steht, dass das Stundensaldo der Mitarbeitenden maximal 41 Minusstunden betragen darf. Für Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolf ist deshalb klar: Was über die 41 Minusstunden geht, müssen Coop-Angestellte nicht nachholen.

Diese Begrenzung der Minusstunden sei zum Schutz der Angestellten, sagt Carlo Mathieu von der Gewerkschaft Syna. Denn: «Minusstunden setzen Mitarbeitende unter Druck. Der Arbeitgeber kann ein Mitarbeiter mit Minusstunden jederzeit einsetzen, so wird die Autonomie der Arbeitnehmer zusätzlich eingeschränkt.»

Filialleiter übergehen Pausen

Coop-Verkäuferinnen erzählen «Kassensturz», wie ihnen der Chef die Pausen einfach streiche. Oft stünden sie von 6 Uhr bis 12 Uhr allein hinter der Fleischtheke oder der Kioskauslage – ohne Pausenablösung. Trotzdem ziehe ihnen Coop die Pause von der Arbeitszeit ab. Auch das: Ein Verstoss gegen das Arbeitsgesetz.

Erschreckend. Milos P.s Filialleiter in Dielsdorf schreckte auch nicht davor zurück, Arbeitspläne zu manipulieren. So wollte er vertuschen, dass sein Personal die Ruhezeiten nicht einhalten durfte. Zum Beispiel: Milos P. musste jeweils bis nach 20 Uhr arbeiten und am nächsten Morgen bereits wieder um 6 Uhr beginnen.

Damit waren die gesetzlichen die Ruhezeiten von elf Stunden nicht eingehalten. Damit dies nicht auffällt, setzte Milos P. s Vorgesetzter kurzerhand andere Arbeitszeiten in den offiziellen Plan ein. «Kassensturz» liegen Dokumente vor, die das belegen.

Coop gibt Fehler zu

«Kassensturz» konfrontiert Coop mit diesen Vorwürfen. Die oberste Personalchefin, Nadine Gembler, räumt ein, dass hier grobe Fehler gemacht worden sind: «Wir haben den Vorgesetzten verwarnt und uns bei Milos P. entschuldigt.» Doch sie betont, dass der allergrösste Teil der Coop-Filialleiter gesetzeskonform mit dem Personal umgeht.

Einen anderen Eindruck hat die Gewerkschaft Syna. Regelmässige Umfragen würden zeigen, dass die Zufriedenheit der Coop-Angestellten auffällig gesunken sei, sagt Carlo Mathieu von der Syna.

Gewerkschaft: Längere Öffnungszeiten, Druck auf Personal

«Die Ursache sehen wir darin, dass immer weniger Personal mehr leisten muss und dass Coop die Ladenöffnungszeiten immer mehr erweitert.» Die Vorgesetzten seien nicht mehr in der Lage, das Personal richtig zu planen.

Coop-Personalchefin Nadine Gembler hat das Problem erkannt. Jetzt wird Coop aktiv: «Wir werden die Filialleiter zukünftig besser schulen und kontrollieren, denn uns ist wichtig, dass ausnahmslos alle das Arbeitsgesetz und den Gesamtarbeitsvertrag einhalten.»

Sie hätten in den letzten Tagen interne Untersuchungen durchgeführt, die Probleme beträfen nur knapp ein Prozent der Angestellten.

Das heisst es sind mehrere Hundert Arbeitnehmer betroffen, die wie Milos P. viele gesetzeswidrige Minusstunden haben. Coop schreibt, man habe einen Massnahmenkatalog verabschiedet, zu dem auch die Streichung von Minusstunden gehöre.

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