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Unnötige Operation: Spital trickst mit Pauschalen
Aus Kassensturz vom 27.04.2010.
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Versicherungen Unnötige Operation: Spital will doppelt kassieren

Fallpauschalen bei Operationen sollen Gesundheitskosten senken. Doch ein Berner Spital mutet einer Patientin zwei Operationen zu. Völlig unnötig, aber so kann die Klinik zwei Fallpauschalen kassieren – ein Verstoss gegen das Gesetz. Denn der Eingriff ist problemlos in einer Operation möglich.

Seit fünf Jahren führt Regula Zbinden die Boutique «Wirr Warr» in Grindelwald. Bald muss sie den Laden für einige Wochen schliessen, denn die 55-Jährige muss ins Spital. Der Grund: Seit 20 Jahren hat sie Arthrose im Daumen- und seit drei Jahren auch im Mittelfingergelenk. Die Schmerzen in den Fingern behindern sie. Geschenke schön einzupacken, fällt ihr immer schwerer. Eine Operation von Daumen und Mittelfinger ist unumgänglich.

Jeden Finger einzeln

Die zwei Finger wollte der Arzt von Regula Zbinden in einem einzigen Eingriff operieren. Zu ihrem Wohl. Doch wegen der neuen Fallpauschalen sei das nicht mehr möglich, habe ihr der Arzt gesagt. Er müsse sie zwei Mal operieren, jeden Finger einzeln. Für Regula Zbinden hat das einen längeren Arbeitsausfall zur Folge. «Das bedeutet für mich, dass ich zwei Mal meine Hand für drei Monate stillgelegt habe», sagt Regula Zbinden.

Zbinden wurde in der Berner Hirslanden-Klinik Permanence operiert. Die Klinik muss seit dem 1. April nach einem neuen System abrechnen. Wie alle Spitäler im Kanton Bern bekommt sie pro Fall einen fixen Betrag. Mit diesen sogenannten Fallpauschalen lohnt es sich für die Spitäler nicht mehr, unnötige Leistungen zu erbringen. Das spart Kosten. Doch die Permanence mutet ihrer Patientin völlig unnötig zwei Operationen zu. So kann die Klinik zwei Fallpauschalen verrechnen – und 3000 Franken mehr kassieren.

Zweckentfremdung

Unnötige Operationen zulasten der Patientin und der Krankenkasse: Das kritisiert Felix Schneuwly vom Krankenkassenverband Santésuisse scharf. Permanence verstosse gegen das Krankenversicherungsgesetz. Das neue System sei «sicher nicht dazu da, dass man Mehreinnahmen generieren kann», sagt Schneuwly. Sinn und Zweck des neuen Systems sei, verschiedene Behandlungen zu gruppieren, die von den Kosten her vergleichbar sind.

Unnötige Kosten für die Krankenkasse und für Regula Zbinden, denn zwei Operationen bedeuten, dass es doppelt so lange dauert, bis sie wieder arbeiten kann. Die Heilungszeit verlängert sich um mindestens drei Monate. Als Selbständigerwerbende kommt sie das teuer zu stehen. Regual Zbinden: «Es bedeutet massive Mehrkosten für mich.» Sie brauche die Aushilfe mehr und sie müsse vielleicht den Laden öfter schliessen, wenn sie die Aushilfe nicht vermöge.

Zu knapp bemessen

Die Fallpauschalen seien für Privatspitäler viel zu knapp bemessen, sagt Adrian Dennler, Konzernleitungsmitglied der Hirslanden-Gruppe und Präsident der Berner Privatspitäler. Ein Tarifstreit ist entbrannt. Doch Dennler räumt ein, dass dieser nicht zulasten der Patienten gehen dürfe. Durch die Einführung der neuen Fallpauschale am 1. April 2010 sei es zu Verunsicherungen gekommen, auch beim Arzt. Dennler: «Es hat Missverständnisse gegeben und das hat dazu geführt, dass man vor der Operation leider auch über Geld gesprochen hat.»

Nach Intervention von «Kassensturz» konnte Regula Zbinden ihre Finger doch mit einem einzigen Eingriff operieren lassen.

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