Familie Beyeler träumt von einer grösseren Wohnung. Ihre Mietwohnung wird Ende Jahr abgebrochen. Beyelers haben deshalb eine Eigentumswohnung für 785‘000 Franken gekauft. In der Verkaufsdokumentation des Bauunternehmers «Implenia» steht die Grössenangabe «118 m2 Wohnfläche».
Monate nach der Vertragsunterzeichnung, beim Auswählen des Bodenbelages stellen die Käufer mit Schrecken fest, dass ihre Wohnung effektiv nur 108 Quadratmeter gross ist. Die Wohnung ist somit 8,5 % kleiner als angepriesen. Gina Beyeler schüttelt den Kopf: «Das sind 10 m2 Unterschied. Uns fehlt praktisch ein Zimmer.»
Implenia: «Das müssen wir verbessern»
Implenia, das grösste Schweizer Bau- und Baudienstleistungsunternehmen, gibt sich nach Anfrage von Kassensturz schuldbewusst: «Unsere Verkaufsbroschüre hat für Verwirrung gesorgt. Wir müssen und werden das in Zukunft verbessern», erklärt René Zahnd, Leiter von Implenia Buildings.
Gemäss Implenia entsprechen die angepriesenen 118 Quadratmeter der sogenannten Geschossfläche. Davon müssen allerdings Funktions-, Konstruktions- und Nebennutzflächen abgezogen werden. Das Resultat ist die Hauptnutzfläche «HNF» mit 108 Quadratmetern.
Zu kleine Wohnung heisst «mangelhafte» Wohnung
Baurechtsexperte Hubert Stöckli zeigt sich im Interview mit «Kassensturz» erstaunt, dass Implenia keine klareren Flächenangaben gemacht hat. Kein Wunder werde jetzt über den dehnbaren Begriff «Wohnfläche» gestritten.
Rechtsprofessor Stöckli prognostiziert: «Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Gericht entscheiden würde, dass «Wohnfläche» die Fläche bedeutet, über die ich als Käufer verfügen kann. Wo ich Möbel platzieren, Teppiche ausrollen, mich bewegen kann.»
Mit dieser Argumentation ist die Wohnung am Schluss zu klein und weist einen Mangel auf. Gemäss Obligationenrecht können Beyelers unter diesen Umständen die Wohnung zurückgeben oder eine Reduktion des Kaufpreises verlangen. Beyelers haben den Kauf rückgängig gemacht und sich für eine grössere Wohnung entschieden.
Viele unklare Begriffe für «Wohnfläche»
Generell herrscht auf dem Immobilienmarkt ein grosses Wirrwarr von Flächenangaben. Da kursieren Begriffe wie «Geschossfläche», «Wohnfläche», «Nettowohnfläche» etc.
Dass manche Immobilienverkäufer die Grösse ihrer Objekte nicht genauer angeben, ist für den SIA Architekten Martin Müller eine Mischung aus mangelndem Sachverständnis und Absicht. «Klar versucht jeder Verkäufer, sein Objekt im besten Licht darzustellen», sagt er.
Für Martin Müller wäre die von ihm mitverfasste SIA Norm 416 eine Lösung im Begriffsdschungel. Die Norm sagt, was unter Hauptnutzfläche zu verstehen ist. Dieser Fachbegriff definiert am ehesten, was Laien unter Wohnfläche verstehen. Vorausgesetzt die Norm wird korrekt angewendet. «Nur so kann man sich darauf verlassen », betont Müller.
Auch der Bauriese Implenia will in Zukunft «Missverständnisse» betreffend Grössenangaben vermeiden. Neu stehe im Pflichtenheft der Implenia-Projektleiter, im Gespräch mit Kaufinteressenten auf die «komplexe und in der Branche unterschiedlich gehandhabte Thematik» einzugehen, schreibt das Unternehmen «Kassensturz».
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