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Schweiz aktuell am Gotthard Das Nordtessin, eine Urner Kolonie?

Die Leventina, das Tal zwischen Biasca und dem Gotthard war 300 Jahre lang ein Untertanengebiet Uris. Noch heute zeugen Urner Wappen an Kirchen von der einstigen Fremdherrschaft. Erst unter Napoleon ziehen sich die Urner zurück: seit 1803 gehört die Leventina zu dem neu gegründeten Kanton Tessin.

Handelsinteresse an der Gotthardroute

Die Wappen von Uri und der Leventina an einer Hauswand im Tessiner Dorf Giornico.
Legende: Die Wappen von Uri und der Leventina an einer Hauswand im Tessiner Dorf Giornico. SRF

Im späten Mittelalter war der Kanton Uri fest entschlossen, den südlichen Teil der Gotthardoute unter seine Kontrolle zu bringen. Die Oberschicht der Leventina widersetzte sich diesem Wunsch nicht. Sie unterzeichneten 1403 gar einen Schutzvertrag mit den Urnern.

Sie hatten gemeinsame Interessen: Den Handel über den Gotthard.

Die Leventina gehörte damals eigentlich dem Herzog von Mailand, erduldete dessen Herrschaft aber nur ungern.

Die Leventina hat sich nicht unterworfen. Zwischen der lokalen Oberschicht und den Urnern gab es starke gemeinsame Interessen.
Autor: Paolo Ostinelli Historiker

Den Milanesi passte dies natürlich nicht. Sie versuchten, die Leventina militärisch zurückzuerobern. In der Schlacht von Giornico 1478 kommt es zum Showdown. Mit Hilfe eidgenössischer Truppen vertreiben die Leventiner die Mailänder definitiv aus der Gotthardregion.

Friedliche Zeiten unter den Urner Landvögten

Farbige Zeichnung des Urner Wappens an einer Hausmauer
Legende: Erinnerung an die Vergangenheit Das Wappen eines Urner Landvogts an einer Hauswand in Giornico. SRF

Die Urner investieren hauptsächlich in die Verkehrsinfrastruktur der Gotthardroute. Am nördlichen Ende der engen Piottinoschlucht bauen sie das Zollhaus «Dazio Grande».

Der Strassenzoll macht bis zu einem Drittel der Einnahmen Uris aus. Das Leben der Bevölkerung in der Leventina änderte sich kaum. Die Urner gewähren ihnen eine grosse Autonomie. Der einzige Vertreter aus dem Norden ist der Landvogt mit Sitz in Faido.

Der Aufstand der Untertanen

Erst nach über 300 Jahren Fremdherrschaft kommt es zu Spannungen, welche in der «Rivolta della Leventina» gipfeln. 1755 nehmen die Leventiner den Landvogt gefangen.

Daraufhin kommt es zum dunkelsten Kapitel der Urner Fremdherrschaft: Uri schickt Soldaten in den Süden und lässt die Anführer des Aufstandes in Faido öffentlich hinrichten.

Die Inszenierung der Hinrichtungen in Faido waren eine Machtdemonstration der Urner, der Herrscher gegenüber den Untertanen.
Autor: Paolo Ostinelli Historiker

Ein neuer Kanton entsteht

Weder im Kanton Uri noch im Kanton Tessin erinnert man sich gerne an dieses Ereignis. In Tessiner Geschichtsbüchern ist kaum etwas darüber zu finden. Dies allerdings auch, weil der Aufstand nicht zur offiziellen Kantonsgeschichte gehört.

Foto der Kirche mit Zeichnungen der Urner Wappen am Kirchturm
Legende: Das Urner Wappen an der Kirche «San Carlo di Negrentino». SRF

Erst 1803, 50 Jahre nach der brutalen Niederschlagung des Aufstandes, wird der neue Kanton Tessin gegründet. Unter Napoleon ziehen sich die Urner aus der Leventina zurück.

An ihre einstige Präsenz erinnern heute nur noch die vielen Urner Kantonswappen auf den Gebäuden im Nordtessin.

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